Das größte Einzelsportereignis der Welt wartet. Die 52. Auflage des Finales im American Football, der Super Bowl LII, findet am 2. Feber statt. Um 0.30 Uhr MEZ nachts treffen im Hard-Rock-Stadium von Miami die San Francisco 49ers und die Kansas City Chiefs aufeinander.

Auch in Deutschland und Österreich erfreut sich die NFL immer größerer Beliebtheit. Zu einem großen Teil verantwortlich für diese steigende Popularität ist Patrick Esume, Experte und Kommentor der NFL-Übertragungen von Ran.de bei ProSieben Sat1 und einziger Deutschsprachiger, der in der NFL als Trainer aktiv war.

Was sind die wichtigsten Fakten, die ein Football-Laie wissen muss?

Patrick Esume: Wer sich das erste Mal ein Football-Spiel ansehen will, soll das auf jeden Fall mit jemanden machen, der sich besser auskennt, sonst ist man sehr sehr schnell überfordert. Die Atmosphäre im und vor dem Stadion und in ganz Amerika kann man vergleichen mit einem EM- oder WM-Finale im Fußball. Selbst in der Halbzeit sollte man nur ganz schnell aufs WC laufen, da die Halbzeitshow immer ein Spektakel bietet.

Wie bereiten sich die beiden Finalisten auf den Super Bowl vor?

In der ersten Woche von zwei Wochen wird der Gegner analysiert und die Strategie geplant und trainiert, während in der zweiten alles nur noch verfeinert wird. Da sind die Teams ja auch bereits vor Ort, haben jeden Tag Pressetermine und müssen sich mehr darauf konzentrieren, sich von dem ganzen Rummel nicht ablenken zu lassen.

Wie ist ein Training eines Football-Teams aufgebaut, kann man das irgendwie mit einem Fußball-Training vergleichen?

Nein, auf keinen Fall! Schon deswegen nicht, weil ein NFL-Team viel mehr Spieler als ein Fußballteam hat. Dazu kommt, dass alleine die Offensive fünf verschiedene Positionen (Anm.: Quarterback, Wide Receiver, Tight Ends, Running Back, Offensive Line) umfasst, die alle unterschiedliche Physis haben und andere Dinge trainieren und lernen müssen. Zu Beginn des Trainings ist jede Positionsgruppe für sich mit dem eigenen Positionstrainer und arbeitet an ihren speziellen Inhalten. Anschließend werden zwei Positionsgruppen zusammengefasst und trainieren gemeinsam Elemente. Die Offensive Line und Running Backs trainieren zum Beispiel das Laufspiel. Danach wird auch die Laufverteidigung hinzugezogen und erst abschließend spielt die ganze Offensive gegen die Defensive.
Das Bemerkenswerte dabei ist aber, wenn ein Pfiff quer über den Platz kommt, weiß jeder sofort, wo er als Nächstes hinzulaufen hat.

Wie bereiten Sie sich als Kommentator oder Experte auf ein Spiel vor?

Die ganze Saison über lebt man eigentlich im Internet: ESPN, NFL.com, Youtube ... Ziel ist es, von allen Spielern möglichst viel zu wissen: Von Größe und Karriereverlauf bis hin zu Anekdoten, warum ein Spieler welchen Rufnamen hat. Was ich auch gerne mache, ist die Teams konzeptionell zu verstehen. Also, wie sie am liebsten spielen und wann sie welchen Spielzug verwenden. Mir gefällt das System von Andy Reid in Kansas City sehr gut. Als ich 2009 unter ihm bei den Philadelphia Eagles war, konnte ich da einiges mitnehmen.

Welches System gefällt Ihnen denn gut?

Ich mag das Offensiv-System von Andy Reid bei den Kansas City Chiefs sehr. Im Trainingscamp der Philadelphia Eagles 2009 war ich dabei, als Reid dort Head Coach gewesen ist und hab dort ein bisschen mitnehmen können. Als Head Coach des französischen Nationalteams habe ich dann ein ähnliches Offensiv-System gespielt.

Jedes Team oder genauer jeder Coach hat ja ein sogenanntes „Playbook“, in dem das System erklärt ist und alle Spielzüge und deren Varianten drinnen stehen, das die Spieler dann lernen müssen. Wie schreibt man so ein Playbook?

Dafür gibt's keine Vorlage. Das muss jeder selbst für sich entwickeln. Natürlich gibt es eine Vielzahl von Standard-Spielzügen, aber von da weg muss jeder Coach seinen eigenen Stil reinbringen und so sein eigenes Playbook schreiben. Ich beginne immer ganz klassisch: Ich setz' mich hin, male die Spielzüge auf Papier auf und gehe dann von da weg weiter vor.

Gibt es in der Defensive den einen Spielzug, den Sie ansagen würden, wenn das Spiel auf Messers Schneide steht?

Nein, nein, die Defensive muss sich ja immer auf die Offensive einstellen – man spielt „Matchup-Defense“. Es wird geschaut, welches Personal der Gegner auf das Feld schickt und entsprechend davon wählt man sein Personal und den Spielzug aus.

Die Eigentümer der Klubs wollen das Pass-Spiel sehen, weil es spektakulärer ist als das Laufspiel. Ihre Meinung dazu?

Football ist ein Kollisionssport. Ein Spiel wird oft über die Physis gewonnen und deshalb wird das Laufspiel nie aussterben. Man muss das Laufspiel etablieren. Wenn du dann zum Beispiel im dritten oder vierten Versuch oder an der Goalline stehst und das nötige eine Yard erzielst, macht das auch was mit dem Gegner mental. Dein Team weiß, es gewinnt die wichtigen Duelle an der Line of Scimmage und dein Gegner ist demotivierter. Das sind Dinge, die kann man nicht in den Statisitken messen, sind aber immens wichtig.

Wie gehen Spieler mit Fehlern mental um?

Darin unterscheiden sich die großartigen von den guten Spielern. Die großartigen Spieler ärgern sich, aber sie lassen sich davon nicht fertig machen. Ihre Devise: „Play one play at a time“, oder auf Deutsch: Der vergangene Spielzug ist nicht mehr zu ändern, man muss ihn abhaken und sich stattdessen darauf fokussieren, im nächsten wieder abzuliefern.

Welche Trends erkennen Sie in der NFL?

Mit Lamar Jackson sehen wir einen Quarterback, der viel mehr läuft und in dieser Saison so einige Rekorde gebrochen hat. Ich glaube aber, dieser Trend hält nur so lange an, bis sich ein, zwei, drei Spieler schwerer verletzen. Dann wird man wieder zum konventionelleren Quarterback-Spiel zurückkehren. Dennoch tendieren die Teams zu einem athletischen Quarterback. Ein Aaron Rodgers (Green Bay) oder ein Patrick Mahomes (Kansas City) beispielsweise besiegen die Gegner mit ihrem Arm, können aber auch laufen, wenn es notwendig ist.

Wie steht es um den österreichischen Football? Sehen Sie Spieler, die den Sprung in die NFL schaffen können?

Österreich hat viele talentierte Spieler. Bei der EM 2018 habe ich mit Frankreich gegen Österreich im Finale gespielt (Anm.: 28:14 für Fra), das war ein erstklassiges Team. In der Offensive Line der Colorado Buffaloes spielt ein Österreicher (Anm.: Valentin Senn) in der Pac-12, einer der höchsten Ligen im College Football. Wenn die Landesverbände sich mehr dahinterklemmen, können durchaus einige Spieler Chance haben, es in die NFL zu schaffen. Non-Profit-Organisationen wie Gridiron Imports von Björn Werner helfen auch, den Sprung nach Amerika zu schaffen.

Zum Abschluss bitte Ihr Tipp: Wer gewinnt den Super Bowl?

Ich hatte schon vor der Saison die 49ers (mit dem Deutschen Mark Nzeocha) als Sleeper, also als Geheimtipp eingeschätzt - deshalb muss ich natürlich bei ihnen bleiben ...