Es war alles angerichtet für eine kleines Stück Sportgeschichte. Der IranerSaeid Mollaei und Sagi Muki aus Israel meisterten bei der Judo-Weltmeisterschaft in Tokio souverän Runde für Runde, alles deutete darauf hin, dass sie einander im Finale begegnen würden. Erst im Mai hatte das nationale Olympische Komitee Irans dem internationalen Judoverband in einem Brief mitgeteilt, die olympische Charta und ihr Diskriminierungsverbot uneingeschränkt zu respektieren - iranische Judoka sollen ab sofort gegen Israelis antreten dürfen.

Das war lange nicht der Fall. Der Iran erkennt Israel nicht als Staat an, iranische Staatsbürger haben einen Vermerk in ihrem Reisepass, der es ihnen untersagt, ins "besetzte Palästina" zu reisen. Doch mit dem Brief schienen jene Zeiten Geschichte, in denen sich iranische Sportler kurz vor einem Kampf mit Israelis aufgaben oder verletzten.

Mollaei musste verlieren

Saeid Mollaei aus Iran arbeitete hart, um in Tokio seinen Titel in seiner Gewichtsklasse bis 81 Kilogramm zu verteidigen. Es sah lange gut für ihn aus, doch wider Erwarten kam im Halbfinale das Aus: Mattia Casse aus Belgien besiegte Mollaei nach einem langen Duell. Letzten Endes wurde Mollaei Fünfter, Sagi Muki aus der neue Weltmeister.

Doch Mollaeis Niederlagen waren nicht sportlicher, sondern politischer Natur. Um weder gegen Israeli Sagi Muki antreten, noch mit ihm auf dem Podest stehen zu müssen, habe er "absichtlich verloren", sagte der 27-Jährige dem oppositionellen Sender Iran International.

Trotz des so verheißungsvollen Briefes im Mai habe er einen Anruf erhalten. Der Präsident des nationalen olympischen Komitees und der Vize-Sportminister hätten ihm aufgetragen, nicht um den Sieg zu kämpfen, aber so aufzutreten, dass der Weltverband keinen Verdacht schöpfe und es keine Probleme gebe, erklärte Mollaei.

Das war noch nicht alles: Es gab auch Drohungen gegen Mollaeis Familie. "Ich habe heute vom Weltmeistertitel geträumt. Aber das war nicht mein Schicksal", sagte Mollaei. "Ich konnte nicht kämpfen wegen der Gesetze in meinem Land und weil ich Angst vor den Konsequenzen für meine Familie und mich selbst habe."

Nun hält sich Mollaei in Deutschland auf, weil er in seiner Heimat Repressionen fürchtet, "auch wenn die Verantwortlichen gesagt haben, dass ich problemlos zurückkehren kann".

Unter anderer Flagge zu Olympia

Bei den olympischen Spielen in Tokio 2020 könnte Mollaei unter anderer Flagge auftreten. Er werde möglicherweise in einem Flüchtlingsteam an den Spielen teilnehmen, sagte Marius Vizer, der Präsident des Judo-Weltverbandes, der japanischen Zeitung Asahi. "Ich hatte ein deutsches Visum und bin in Deutschland, um mich von den Gerüchten fernzuhalten", sagte Mollaei dem Sender Iran International mit Sitz in London. Er sei traurig, dass er möglicherweise nicht unter iranischer Flagge an den Olympischen Spielen teilnehmen könne, sagte er dem Sender. Er habe aber "zu hart trainiert", um eine Niederlage zu inszenieren.