Corona ist immer und überall. Und gerade deshalb offenbaren sich scheinbar ungeahnte Möglichkeiten für jene Subjekte, die sich Krisenzeiten zunutze machen und Kapital daraus schlagen. Das wertvollste Kapital des Sportlers ist der Körper und warum nicht der Versuchung nachgeben und in Lücken vorstoßen, die sich durch die Pandemie urplötzlich ergeben? Blüht der Betrug durch Doping im Schatten von Corona so richtig auf?

Im ersten Pandemiejahr, das ergab eine kürzlich durchgeführte Untersuchung, verringerte sich die Anzahl der weltweit durchgeführten Dopingtests gegenüber den vorhergegangenen Vergleichszeiträumen um nicht weniger als 46 Prozent. Von 149.758 entnommenen Proben stellten sich 1009 als positiv heraus. Damit lag die Trefferquote bei 0,67 Prozent, was einem Rückgang im Vergleich zu 2019 um 0,3 Prozent entspricht. Ob diese doch sehr geringe "Ausbeute" an den Ermittlungsmethoden liegt, sei einmal dahingestellt.

In Österreich wurden 2020 1746 eigene Dopingtests vorgenommen, 2019 waren es noch 2330, 2021 soll wieder alles besser geworden, das Niveau von Vor-Corona erreicht worden sein. Die Zahl der positiven Fälle, im Statistik-Jargon "Verstöße" genannt, belief sich 2020 auf neun, sieben davon sind abgeschlossene Verfahren, zwei werden unter der Rubrik "auffällige Analyse-Ergebnisse" geführt. 2019 gab es 25 Verstöße, also beinahe dreimal so viele.

Diese Zahlen spielen sich demnach nicht vor dem Hintergrund einer Erfolgsgeschichte ab. Um das Dopingthema ist es grundsätzlich in diesen Zeiten der Pandemie ausgesprochen ruhig geworden. Das könnte, so der Ausgangsverdacht, doch erfolgshungrige Athleten und Athletinnen auf die Idee bringen, sich mit wirksamen, aber verbotenen Mitteln auf die Sprünge zu helfen. Macht Gelegenheit Betrüger?

In diesem Fall eher nicht, glaubt zumindest David Müller von der nationalen österreichischen Anti-Doping-Agentur NADA. "Gesichert wissen kann man es nicht, aber dass jemand bewusst die Pandemie ausnützt, ist wohl eher die Ausnahme", meint der Experte. Der Grund für diese Annahme liegt in der längst hochgerüsteten Szene. "Es fängt ja niemand einfach so von heute auf morgen mit dem Dopen an." Außerdem sei der Einzeltäter eine äußerst unwahrscheinliche Erscheinung. "Im Normalfall brauchst du ein Team um dich herum."

Vergleichswerte erfolgversprechender als Tests

Der Kampf gegen Doping ist eine geradezu klassische Sisyphos-Aufgabe. Er läuft ebenso end- wie nahezu aussichtslos. Auch in Fachkreisen hat sich eine gewisse Illusionslosigkeit breit gemacht, wobei sich die Überlegungen, wie denn Dopingsünder am ehesten zu erwischen seien, etwas geändert haben. "Wir müssen per Naturgesetz hinten nach sein", gesteht Müller unumwunden ein, dass die Täter die Fahnder stets hinter sich lassen. Klingt logisch. Neue Methoden werden nicht von den Kontrollorganen in die Sportwelt eingeführt.

Der Dopingtest an sich hat jedenfalls kaum Aussicht auf Erfolg. "Kontrollen sind richtig und wichtig, aber nicht sehr wirkungsvoll. Einen professionellen Doper, der keinen Fehler macht, direkt zu ertappen, ist kaum möglich", sagt Müller. Daher hat sich die Strategie der Dopingjäger verlagert. Durch die Analysen fallen den Ermittlern Vergleichswerte in die Hände. "Bei dieser indirekten Methode sind wir sehr guter Dinge", gibt es einen Hoffnungsschimmer am Doping-Horizont.

Selbst eine nicht nachweisbare Substanz müsse Auswirkungen auf die Werte haben. Größere Schwankungen im Blutbild und im Hormonspiegel werden genauer unter die Lupe genommen. Auffälligkeiten sind demnach Hinweise auf Sportbetrug, dann wird ein erweitertes Kontrollnetz ausgelegt. Schließlich kann auch die Exekutive einschreiten, was die Arbeit erleichtert und mitunter zu spektakulären Aufdeckungen führen kann wie 2019 im Zuge der Operation Aderlass.

Weil gerade Olympische Spiele im Anrollen sind: Um Manipulationen vorzubeugen, werden die Tests in immer stärkerem Ausmaß von der im Jahr 2018 gegründeten International Testing Agency (ITA) in Auftrag gegeben und fallweise auch durch extra entsandte, unabhängige Teams vorgenommen. Es könnte ja sein, dass im Sinne des nationalen Interesses Sportler im jeweiligen Land von den eigenen Leuten quasi gedeckt werden. Ab einem Zeitraum von sechs Monaten vor einem Großereignis wie nun den Winterspielen in Peking wird übrigens signifikant stärker kontrolliert.

Bei 75 Prozent aller Dopingtests handelt es sich um Trainingskontrollen, lediglich ein Viertel werden unmittelbar während der Wettkämpfe durchgeführt. Auch bei den Sportarten wird gewichtet, je nach Risiko-Abschätzung. Wenig überraschend liegen bei der Anzahl der Proben die Nordischen Skisportler (in Österreich 2020: 202) an der Spitze, gefolgt von Fußball (124) und den Alpinen (99). Die im Vergleich zur Menge der Aktiven sehr niedrige Zahl der Überprüfungen im Fußball liegt am laut Müller verhältnismäßig geringen Gefährdungsgrad.