Erst am 22. Februar hatte Formel-1-Legende Niki Laudaseinen 70. Geburtstag gefiert - nur drei Monate später verstarb er am Montag in WienGerhard Hofstädter, Motorsport-Experte der Kleinen Zeitung, blickt in den Rückspiegel und zeichnet Laudas unvergleichliche Karriere nach:

Es war ein wunderschöner Sommer-Sonntag, der 17. August 1975. Dazu eine ziemlich aufregende Einladung. Denn wir waren mit einer kleinen einmotorigen Cessna von Klagenfurt nach Zeltweg geflogen. Das war doch etwas ungewöhnlich Mitte der 70er-Jahre. Wenigstens galt man nicht gleich als völliger Snob, obgleich eine Landeerlaubnis auf dem Fliegerhorst auch damals zu den ganz seltenen Befugnissen zählte.

Es lag dann eine eigenartige Ruhe über dem Österreich-Ring, als unsere kleine Reisegruppe die Unterführung der Hella-Kurve passierte. Normalerweise hätte das Warm-up laufen sollen. Diese Aufwärmrunden der Formel 1 am Sonntagvormittag, die damals noch üblich waren. Später, viel später, erfuhren wir, dass Mark Donohue genau an dieser Stelle verunglückt war. Es gab eben noch kein Internet, kein Twitter, keinen Liveticker. Keine Handys. Informationen wurden nur sehr spärlich weitererzählt. Nach dem Unfall wurde die Kurve entschärft und zum Hella-S umgebaut.

Aber an diesem Sonntag erlebte ich die erste physische Begegnung mit Niki Lauda. Als reiner Fan, der die österreichische Formel-1-Begeisterung, ausgelöst durch den Jochen-Rindt-Hype fünf Jahre zuvor, volley übernommen hat. Irgendwo oben im Wald hatten wir ein ideales Plätzchen gefunden, vor allem geschützt vom herannahenden Unwetter. Es regnete bereits beim Start. Und Lauda ging von der Poleposition aus sofort in Führung. Klar, deswegen waren wir ja gekommen. Um unseren Niki siegen zu sehen. Im knallroten Ferrari mit der großen, weißen Lufthutze hinter dem Cockpit. Sie sahen schon komisch aus, die Formel-1-Autos der 70er-Jahre. Irgendwie zerbrechlich und nicht besonders sicher.

Niki Lauda gewinnt 1975 in Monaco
Niki Lauda gewinnt 1975 in Monaco © (c) APA/AFP/RALPH GATTI (RALPH GATTI)

Lauda hatte zuvor in Monaco, in Zolder, Anderstorp, in Le Castellet gewonnen. Er führte in der WM, als er zum Heim-GP antrat. Es war genau die Zeit der ganz großen Wende bei Ferrari, die der Österreicher 1974 eingeleitet hatte. Seit 1964 hatte die Scuderia keine WM mehr gewonnen. Mit Niki Lauda wurde alles anders. Nach den ersten Gehversuchen im Rennsport, mit dem ersten Bergrennen 1968 in Mühllacken, ging es Schritt für Schritt bergauf. Lauda fuhr Sportwagen-Rennen, verdiente gutes Geld bei Tourenwageneinsätzen für BMW, die Formel 3 bezeichnete er selbst als „Wahnsinnsformel“, aus der er so schnell wie möglich raus musste. Mit einem Zwei-Millionen-Schilling-Kredit kaufte sich Lauda 1971 ins March-Team ein. Die Kreditzusagen zuvor hatte sein Großvater Hans Lauda als Großindustrieller noch zu verhindern gewusst. „Ein Lauda hat auf den Wirtschaftsseiten der Zeitungen zu stehen und nicht auf den Sportseiten“, argumentierte der Großvater.

Lauda zu Beginn seiner Formel-1-Karriere
Lauda zu Beginn seiner Formel-1-Karriere © (c) APA/AFP/JEAN-PIERRE PREVEL (JEAN-PIERRE PREVEL)

Der March von 1972 war jedenfalls „eine Gurke“, damit konnte er überhaupt nicht zeigen, was in ihm steckte. 1973 wechselte er zu B.R.M. Nach dem Lauda-Prinzip „Fahre heute – zahle morgen“. Und dann machte es auf einmal klick. Beim GP von Monaco lag er rundenlang auf Platz drei vor dem Ferrari von Jacky Ickx, bis ihn ein Getriebeschaden zur Aufgabe zwang. Von diesen schnellen Lauda-Runden war selbst ein gewisser Enzo Ferrari derart beeindruckt, dass er Niki Lauda für 1974 einen Vertrag anbot. „Als ich das Testgelände in Fiorano sah, die Zeitkontrollen, die Videoanlagen, die Ingenieure, kam es mir vor, bei der Nasa gelandet zu sein, March und B.R.M. waren dagegen Vereine fürs Drachensteigen“, erzählte Lauda in einem Interview.Der Ferrari war anfangs auch keine Sensation. Er erklärte dem alten Commendatore mithilfe von dessen unehelichem Sohn Piero Lardi als Übersetzer in seiner ungeschminkten Manier die Fehler des Autos. Lardi weigerte sich zu übersetzen. Weil damals bei Ferrari nur Unzulänglichkeiten des Fahrers, nie des Autos zu diskutieren seien. Dennoch: Mit Teamchef Luca di Montezemolo, Cheftechniker Mauro Forghieri und Niki Lauda wurde ein Triumvirat gebildet, das Ferrari zurück auf die Siegerstrecke führte.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass Lauda 1975 beim besagten Heimrennen „nur“ Sechster wurde. Vittorio Brambilla gewann. Aber bereits beim Großen Preis von Italien in Monza reichte Lauda ein dritter Platz zum ersten Weltmeistertitel. In neun von 13 Rennen war er aus der Poleposition gestartet. Ein Beweis, dass er auch richtig schnell sein konnte und nicht nur seiner Intelligenz wegen Rennen gewann.

Zielstrebig und konsequent setzte er seine Karriere fort. 1976 war er der große WM-Favorit. Lauda gewann in Interlagos, Kyalami, Jarama, Monte Carlo und Zolder. Er lag in der WM souverän in Führung, als sich auf dem Nürburgring am 1. August 1976 die ganze Welt des Niki Lauda mit einem Schlag änderte. In der zweiten Runde schleuderte der Ferrari in die Leitschiene, fing Feuer. Ein paar Kollegen, vor allem Arturo Merzario, retteten ihn aus dem Wrack – lebensgefährlich verletzt, mit schwersten Brandwunden, vor allem aber extremen Lungenverätzungen. Vier Tage kämpfte Niki Lauda um sein Leben. Mit Schmerzen jenseits aller Vorstellungskraft.

Unfall 1976 auf dem Nürburgring
Unfall 1976 auf dem Nürburgring © (c) APA/DPA (UNBEKANNT)

Es war sein härtester Kampf. Nur sieben Wochen später kletterte er in Monza wieder ins Ferrari-Cockpit. Er wurde Vierter, sein Kopf blutete, als er seinen Helm herunternahm. Dazu Jackie Stewart: „Das war das Mutigste, was ich je erlebt habe.“ Und so lag er vor dem letzten Rennen in Fuji immer noch drei Punkte vor seinem damaligen Rivalen James Hunt. Bei strömendem Regen stellte er in Japan seinen Ferrari ab, kampflos gab er sich geschlagen, weil er nicht bereit war, sein Leben derart zu riskieren. Er stand zu seiner Entscheidung, verzichtete auf alle Ausreden, die ihm Ferrari vorgeschlagen hatte. Damit stieß er nicht überall auf Zustimmung.

Es gab herbe Diskussionen, der drohende Rausschmiss wurde verhindert. Und Lauda antwortete 1977 auf seine Weise. Mit drei Siegen, sieben weiteren Podestplätzen und seinem zweiten WM-Titel verteidigte er sich gegen alle teaminternen Zweifler. Ferrari verließ er dennoch und ging zu Brabham.

Das Team von Bernie Ecclestone setzte auf Alfa-Motoren. Seinen Erfolgslauf konnte Lauda nicht prolongieren. Er gewann 1978 nur im schwedischen Anderstorp. 1979 lief es noch schlechter, in elf von 13 WM-Läufen schied Lauda aus. Und am 29. September erklärte er im kanadischen Mosport der Weltpresse, „dass er keine Lust mehr hat und es wichtigere Dinge im Leben gibt, als im Kreis herumzufahren“. Eine typische Lauda-Aussage, die nicht jeder verstehen wollte.

1984 schlug er Alain Prost im McLaren-Stallduell
1984 schlug er Alain Prost im McLaren-Stallduell © (c) APA/AFP/GABRIEL DUVAL (GABRIEL DUVAL)

Die Lust am Im-Kreis-Fahren kam 1982 wieder zurück. McLaren lockte mit einem Angebot. Anfangs lief es noch mit dem Ford-Triebwerk nicht sehr förderlich. Aber mit dem Porsche-Turbo im Heck war der McLaren unschlagbar. Auf dem Österreichring feierte Lauda trotz eines fast schon zerbröselten Getriebes als einziger Österreicher einen Heimsieg. Einen gewissen Gerhard Berger hat er da zweimal überrundet. Jo Gartner, der dritte Österreicher in diesem Rennen, schied aus. Aber mit dem Sieg in Österreich hatte Lauda gegenüber seinem Stallrivalen Alain Prost so viel Punkte gutgemacht, dass es im Duell mit dem Franzosen zum dritten WM-Titel reichte. „Niki Nazionale“ war endgültig geboren. „Es war einfach unglaublich, zu Hause zu gewinnen. Noch dazu mit dem angeschlagenen Auto, was damals zuerst niemand wusste“, sagte Lauda.

1985 folgten elf technische Ausfälle bei nur einem Sieg, seinem 25. und letzten in Holland. Das nährte die Gedanken zum endgültigen Rücktritt immer mehr. Nach 171 Rennen dankte er ab.

Ganz weg von der Formel 1 kam er halt nie. Er war Teamchef bei Jaguar für zwei Jahre. 2012 wird Lauda Aufsichtsratsvorsitzender des Mercedes-Formel-1-Teams, 2016 erhält er den Laureus World Sports Award für sein Lebenswerk. Geburtstage bedeuten „mir nix, weil sie mir immer wurscht waren. Wichtig ist, dass ich jeden Tag entscheiden kann, was ich machen will.“ Am 20. Mai verstarb Niki Lauda in Wien.