So lange mussten die brasilianischen Fans warten: Acht Jahre ist es her, seit 2017 mit Felipe Massa zum letzten Mal ein brasilianischer Fahrer am Start des Brasilien-GPs in Interlagos stand. Jetzt hat man endlich wieder einen Hoffnungsträger: Gabriel Bortoleto, 21 Jahre alt, einer der Top-Rookies der Saison 2025, obwohl er bei Sauber nicht unbedingt auch Top-Material zur Verfügung hat.

Dafür aber eine Menge Talent, für sein Alter schon sehr viel Reife und eine überzeugende Arbeitseinstellung, wie ihm Sauber-Teamchef Jonathan Wheatley bescheinigt. Auch Teamkollege Nico Hülkenberg, der im Qualifying öfter als ihm lieb war gegen den Youngster den Kürzeren zog, sieht das so: „Er ist ein Rookie, aber seine Geschwindigkeit, wie präzise er fährt, seine Herangehensweise, seine Einstellung, wie hart er arbeitet, das ist alles sehr beeindruckend“, sagt der 38-Jährige.

Das brachte ihm schon die Meistertitel in der Formel 3 und der Formel 2 2023 und 2024 hintereinander ein – ein Zeichen dafür, dass da ein kommender Superstar unterwegs ist. Andere, die das schafften, sind Charles Leclerc, George Russell oder Oscar Piastri – inzwischen alle in der Formel 1 als absolute Spitzenfahrer etabliert.

An diesem Wochenende steht Bortoleto eine besonders schwierige Aufgabe bevor: Der erste Heim-Grand-Prix bringt durch das ganze Drumherum, die vielen zusätzlichen Medien- und PR-Aufgaben, immer eine zusätzliche Belastung – wie zuletzt auch Kimi Antonelli in Imola schmerzlich erfahren musste. Und dabei sollte er gleichzeitig die hohe Erwartungshaltung der heimischen Fans erfüllen.

„Ich werde einfach mein Bestes geben“, sagt Bortoleto – und versucht, die Situation positiv zu sehen. „Natürlich werden die Fans viel von mir erwarten. Sie sind Fans, sie wollen mich gewinnen und gut abschneiden sehen, also werden sie immer hohe Erwartungen an mich haben. Das bedeutet, dass sie daran glauben, dass ich das schaffen kann. Wenn sie nichts von mir erwarten würden, dann nur, weil sie nicht glauben, dass ich dazu in der Lage bin, und damit kann ich gut leben.“

Über allem schwebt natürlich das Thema, dem kein brasilianischer Rennfahrer entgehen kann. Die Hoffnung einer ganzen Nation auf einen neuen Ayrton Senna, ewige Lichtgestalt nicht nur durch seine drei Weltmeistertitel, sondern auch durch seine Persönlichkeit, sein Charisma, durch seinen frühen Tod mit 34 Jahren 1994 in Imola noch zusätzlich zur Legende geworden.

Auch Bortoleto verehrt Senna, der wie er aus São Paulo stammte, und zeigt das auch. Er trägt die Helmfarben seines verstorbenen Helden – davon abgesehen, dass manchmal, wenn er den Helm abnimmt, sogar eine gewisse Ähnlichkeit aufscheint, in den dunklen Locken, aber auch in einer gewissen Mimik und Gestik. „Senna ist mein größtes Idol, der Mann, von dem ich seit meiner Kindheit gehört habe, und ich hoffe, dass ich eines Tages ein wenig von dem erreichen kann, was dieser Mann für den Sport, für Brasilien und für alle Menschen geleistet hat“, sagt er. „Er ist auch so viele Jahre nach seinem Tod noch ein Idol und inspiriert die Menschen weiterhin. Das ist, glaube ich, auch ein Ziel in meinem Leben: in der Formel 1 erfolgreich zu sein und gleichzeitig etwas Großes für mein Land zu erreichen.“

Bei den jetzigen Großen der Formel 1 hat er bereits viel Unterstützung gefunden. Nicht nur bei Fernando Alonso, der schon seit Jahren sein Manager ist. Auch Max Verstappen hat den Youngster ein bisschen unter seine Fittiche genommen, hilft immer wieder mal mit Tipps und guten Ratschlägen. Nicht nur, weil er Bortoleto für ein großes Talent hält, er findet den Brasilianer auch persönlich sehr sympathisch, kommt bestens mit ihm aus.

Vielleicht auch deshalb, weil sie ein gemeinsames Hobby teilen: Sim Racing in allen Varianten. Auch Bortoleto hat seinen eigenen Simulator zu Hause, sich daran zu setzen, ist oft das Erste, was er tut, wenn er von einem Rennwochenende nach Hause kommt. „Gewisse Dinge noch einmal durchzutesten, aber auch zu spielen, mit meinen Freunden zu Rennen fahren – das ist schon ein wichtiger Teil meines Privatlebens. Das hilft mit auch, meine Batterien wieder aufzuladen. Ich bin einerseits weg von der Formel 1 aber kann trotzdem etwas tun, was mir unheimlich viel Spaß macht.“

Zuletzt in Mexiko gelang es Bortoleto, nach einem sehr cleveren Rennen als Zehnter einen Punkt zu holen. Sollte er das auch in Interlagos schaffen, wäre er der erste Brasilianer seit 52 Jahren, der bei seinem ersten Heim-GP in die Punkte fährt. Damals, 1973, beim ersten offiziellen Brasilien-GP im Rahmen einer WM überhaupt, holte sich Emerson Fittipaldi sogar den Sieg. Der war damals allerdings auch schon amtierender Weltmeister.