Die Nerven liegen blank. Eine titellose Saison wäre für den FC Bayern München "eine Katastrophe", gestand Vorstandschef Oliver Kahn. Durch das 1:3 am Samstag in Mainz verspielte der Serienmeister die Tabellenführung an Herausforderer Borussia Dortmund. Gewinnt der BVB nach dem überzeugenden 4:0-Heimsieg gegen Eintracht Frankfurt bei schaffbarem Restprogramm auch die abschließenden fünf Ligaspiele, würde die Meisterschale erstmals seit 2013 nicht nach München gehen.

Seit dem überraschenden Trainerwechsel von Julian Nagelsmann zu Thomas Tuchel vor einem Monat sind die Bayern im Viertelfinale des DFB-Pokals und der Champions League ausgeschieden. In der Liga liegt man wieder einen Zähler hinter den Dortmundern. Kahn verteidigt Nagelsmanns Ablöse aber weiterhin vehement. "Ich habe immer auch von langfristigen Zielen gesprochen", betonte der Ex-Torhüter am Samstagabend. "Es ging da jetzt nicht rein nur um die Saisonziele."

Dortmund hat gute Chancen auf den Meistertitel

Die sind allerdings ernsthaft in Gefahr. Die Bayerns haben den zehnten Meistertitel in Serie nicht mehr in der eigenen Hand. Bei Siegen gegen Bochum, Wolfsburg, Mönchengladbach, Augsburg und Mainz hätte Dortmund die Trophäe erstmals seit dem Doppelpack unter Jürgen Klopp 2012 und 2013 wieder sicher. Drei der fünf Partien kann der BVB zudem zu Hause bestreiten, wo man Frankfurt überhaupt keine Chance ließ. Die Rückschläge der vergangenen Wochen sind vergessen.

"Es wird gesungen, es wird gejubelt, es wird gehüpft. So stellen wir uns das vor", beschrieb Trainer Edin Terzic die Stimmung in Dortmund. "Wenn wir alle in die gleiche Richtung arbeiten, können wir Großes schaffen." Man sei aber noch lange nicht fertig. "Es sind noch so viele Schritte zu gehen. Aber was wir geschafft haben, ist, dass es sich besser anfühlt, zu Hause zu spielen als in den letzten Jahren. Wir wollen so positiv sein wie noch nie."

Bayern könnten erstmals seit 2012 Saison ohne Titel beenden

Bei den Bayern ist die Stimmungslage eine gänzlich andere. "Das wäre natürlich für uns alle eine Katastrophe, wenn das eintreten würde", sagte Kahn über die Möglichkeit, dass die Bayern erstmals seit 2012 eine Saison ohne Titel beenden müssten. Der 53-Jährige sieht sich selbst mit schwerer Kritik und Zweifeln konfrontiert, ob er als Vorstandsvorsitzender noch der Richtige sei. Kahn: "Für mich gibt es nur ein einziges Ziel: Diese Saison rumzubringen und zwar mit dem deutschen Meistertitel, um dann nächste Saison noch mal richtig anzugreifen."

Auch Bayern-Präsident Herbert Hainer will sich vor dem Saisonende noch nicht mit möglichen Konsequenzen der schweren sportlichen Krise auseinandersetzen. "Wir konzentrieren uns erst einmal auf die deutsche Meisterschaft. Das wird schwer genug sein, wie wir heute gesehen haben", sagte der Clubchef nach dem herben Rückschlag am Samstag in Mainz. "Über alles andere reden wir dann später", kündigte Hainer, der auch Aufsichtsratsvorsitzender der Bayern München AG ist, an.

Bayern wollen noch um den Meistertitel kämpfen

Der frühere Adidas-Manager zeigte sich enttäuscht, dass die Mannschaft nach der 1:0-Führung durch Stürmerstar Sadio Mané in der zweiten Hälfte auseinandergefallen war. "Wenn man zwei so unterschiedliche Halbzeiten sieht und wir dann so einbrechen, ist das schwer zu erklären", sagte Hainer. Die Kritik konzentriert sich neben Sportvorstand Hasan Salihamidzic vor allem auf Kahn. "Ich habe in meiner Karriere vieles erlebt und weiß, was es bedeutet, wenn es nicht gut läuft beim FC Bayern", betonte der Ex-Keeper. "Die Verantwortung tragen wir alle."

Trotz aller Widrigkeiten werde er keinen Millimeter nachgeben, auch in dieser Saison und trotz der schlechten Leistung deutscher Meister werden zu wollen, versicherte Kahn. Nächsten Sonntag wartet ein Heimspiel gegen Schlusslicht Hertha BSC. Dortmund kann bereits am Freitag in Bochum vorlegen. Um Druck auf die Dortmunder zu erzeugen, wird es in den folgenden Partien in Bremen, gegen Schalke und Leipzig sowie in der letzten Runde in Köln definitiv ein anderes Auftreten der Münchner benötigen als in Mainz.