When you walk through a storm Hold your head up high
And don’t be afraid of the dark
At the end of a storm
There’s a golden sky (...)

Es stimmt also, was die Vereinshymne „You’ll never walk alone“ verspricht: Hab’ keine Angst vor Gewitterwolken, am Ende wird die Sonne scheinen.
Und sie scheint hell dieser Tage über Liverpool – zumindest für jene, für die Fußball die unwichtigste Hauptsache des Lebens ist. Der erste Meistertitel nach 30 Jahren hat den Himmel über der Anfield Road, der Heimstätte des FC Liverpool, in Gold getränkt. Zu verdanken ist das – und da sind sich Experten wie Laien einig – vor allem einem Mann: Jürgen Klopp.

Der seit wenigen Tagen 53-jährige Deutsche ist seit fünf Jahren Trainer des Traditionsklubs. Klopp ist aber nicht nur Chefdirigent eines Orchesters hochbegabter Fußballer, sondern mehr: Er ist Motivator, Meistermacher, Medienstar. „Er ist das Gesicht des Vereins“, fasst es Imre Szabics zusammen. Und tatsächlich: Fallen einem von Juventus Turin, Real Madrid, Barcelona, Bayern München oder PSG zu allererst die Superstars der Mannschaft ein, drängt sich bei Liverpool zunächst der Trainer ins Bewusstsein. „Kloppo“ ist ein Unikat – das durch Zufall entstanden ist.

Vor 19 Jahren macht ihn Christian Heidel, damals Manager bei Mainz 05, über Nacht vom Spieler zum Trainer der Mannschaft. „Es war jetzt nicht so, dass Deutschland uns beiden für diese Idee auf die Schulter geklopft hat“, erinnert sich Heidel in einem Sport1-Interview. „Wir wurden eher im Dunstkreis der Psychiatrie gesehen, weil das keiner glauben konnte, schließlich war er Spieler – und auf einmal war er Trainer.“ Zunächst noch ohne Trainerschein. Heute gilt Klopp als der beste Trainer der Fußballwelt.

"I wanna be like Jürgen Klopp"

Wie das gelingen kann? Durch einen ganzheitlichen Führungsansatz, der weit über die Coachingzone am Spielfeldrand hinausreicht. „In mir ist der starke Wunsch, mit jenen Menschen, mit denen ich zusammenarbeite, Beziehungen einzugehen“, beschreibt Klopp sein Lebens- und Arbeitsprinzip. „Es kann schon mal sein, dass sich diese dann doch nur auf die Arbeit beschränkt, aber das ist mir eigentlich nicht genug.“ Er könne nicht genau beschreiben, woran es liegt, dass es funktioniert. „Aber ich mag es gerne so – und dementsprechend lebe ich es. Es mag durchaus andere Wege geben, die erfolgversprechender sind. Nur: Die kenne ich nicht.“

Es sind auch die Sprüche, die ihn zur Marke machen. „I wanna be like Jürgen Klopp“, lieferte eine Band nach dem Titelgewinn mit Borussia Dortmund 2011 den Soundtrack für den Hype um den Diplomsportwissenschaftler mit biografischen Wurzeln in einem Soziotop, das man „einfache Verhältnisse“ nennt. Ausgestattet mit einer auf eruptiver Emotion und maximaler Authentizität basierenden Menschenfänger-Gabe hat es Klopp mit nur drei Trainer-Stationen bis ganz nach oben geschafft.

„Er ist ein überdurchschnittlicher Motivator, kann charismatisch Visionen vermitteln und wird seiner Vorbildfunktion gerecht, indem er die Leidenschaft lebt, die er von seinen Spielern fordert“, analysierte Jens Rowold einmal, der an der Technischen Universität Dortmund Personalentwicklung und Veränderungsmanagement lehrt. Tatsächlich verbindet Klopp höchste fachliche Kompetenz mit einer Naturbegabung als authentischem Antreiber und energiegeladenem Einpeitscher.
Dass das keine Erfolgsgarantie sein muss, hat Klopp selbst erlebt.

„Aber für mich bedeutet das Leben, es immer wieder zu versuchen“, sinnierte er kurz vor dem Champions League-Finale vergangenes Jahr: „Wenn der liebe Gott mich dafür braucht, um zu zeigen, dass jemand sechs Endspiele in Folge verliert und er es auch noch ein siebentes Mal versucht, dann bin ich die perfekte Person dafür. Keine Ahnung, wer das entschieden hat, aber offensichtlich ist das ein lustiger Kerl.“
Humor gehört zu ihm wie der künstlich verdichtete Haarscheitel und das dank Dentaltechnologie perfektionierte Breitbandgrinsen. Er ist Vorbild für Kollegen, Manager und Firmenchefs.

"The normal one!"

„Ich sehe mich selbst als ganz normale Person. Ich habe viel mehr Fragen als Antworten“, hielt Klopp der kultigen Überhöhung seiner Person entgegen. Dieses Understatement gehört zur Selbstinszenierung des Deutschen, der sich beim Amtsantritt in England als „the normal one“ vorstellte – als koketter Kontrapunkt zu Kollege José „the special one“ Mourinho. Der „Normale“ ist aber wohl noch nicht am Ende seines Erfolgswegs angekommen. Den Vertrag mit Liverpool hat er frühzeitig bis 2024 verlängert.