Was sind aus der Sicht der Sportpsychologin die großen Stärken von Jürgen Klopp?
Judith Draxler-Hutter: Sein größtes Plus ist, dass er in jeder Phase authentisch ist und echt und nicht aufgesetzt wirkt. Für die Spieler ist das gut, weil sie wissen, womit sie rechnen können – und müssen. In seiner hohen Emotionalität gibt er viel von sich preis, kann aber auch über sich selbst lachen. Dieser Humor ist wichtig – auch als Selbstschutz. Gleichzeitig kann er sich aber sehr gut selbst regulieren. Er weiß genau, was wo wann gefragt ist und wo und wie er sich rausnehmen kann.

Diese Rolle kann man auch spielen.
Das würde man solchen Typen aber anmerken. Dann werden sie zu Kunstfiguren. Das sieht man oft bei Politikern, wenn es ein bewusstes Spielen wird.

Wie würden Sie seinen Umgang mit der Mannschaft beschreiben?
Seine Hauptfähigkeit ist es, dass er weiß, wie man mit Menschen umgeht. Er hat ein echtes Interesse an seinen Spielern, weiß um deren Entwicklungswege und wie er sie im Kern trifft. Er weiß, wie er ihnen Selbstbewusstsein einimpfen kann. Diese Beziehung aufzubauen ist harte Arbeit. Es ist anstrengend, so zu agieren. Aber es schafft nicht nur Autorität, sondern bewirkt auch, dass ein Wir-Gefühl entsteht und Entscheidungen von allen mitgetragen werden.

Klingt nach Familienidyll.
Ja, aber dieses Vertrauen in die Spieler und dass sie es spüren, ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Sonst würden sie mit voller Hose am Spielfeld stehen. So aber gibt er ihnen den Schlüssel in die Hand, ihre Bestleistungen abzurufen. Er nimmt ihnen die Angst. Die Spieler trauen sich, Verantwortung zu übernehmen. Sie trauen sich aber auch, Fehler zu machen.

Funktioniert Klopps Führungsstil auch als Vorbild abseits des Sports, beispielsweise in der Wirtschaft?
Ja, Jürgen Klopp ist ein Beispiel für „positive Leadership“. Dabei werden Mitarbeiter in die Verantwortung eingebunden. Es gibt ein Commitment für ein gemeinsames Ziel. Das funktioniert mit jeder Gruppe, in Unternehmen und auch in Familien und auf jedem Leistungsniveau, egal unter welchen Bedingungen. Man muss nur die Instrumente anpassen.
Worauf muss man im direkten Umgang achten?
Da braucht es ein ehrliches Interesse für den anderen – und damit ein hohes Maß an Kommunikation. Man muss Möglichkeiten schaffen, dass jeder seine Meinung sagen darf. Aber es braucht auch eine hohe Bereitschaft, Entscheidungen zu treffen. Das überträgt sich aufs Umfeld.