Frau Gstöttner, es ist beachtlich, was Sie alles erreicht haben: Torschützenkönigin in der ÖFB-Frauenliga mit 393 Toren, 12 Meistertitel, 10 Cupsiege, 35-fache Nationalteamspielerin, 26 Tore in 44 Champions-League-Spielen. Wie blicken Sie auf Ihre Karriere zurück?

Ich bin stolz. Den Erfolg habe ich mir mit acht Jahren, als ich beim Sportverein Würmla (NÖ) kickte, nie vorstellen können. Es war damals sehr schwierig, weil wenige Mädchen mit den Burschen mitgespielt haben. Reine Mädchenmannschaften gab es damals nicht. Meine Eltern waren nicht so dafür. Aber ich habe mich durchgesetzt. Es half, dass ich immer einen Kopf größer als die Burschen war. Mit 14 ging ich dann nach Neulengbach, weil der Verein Frauenfußball aufgebaut hat. Es folgten Meisterschaftstitel, Champions League, internationale Spiele. Ich bin meinem Verein immer treu geblieben.

Haben Sie nie über einen Wechsel nachgedacht, es trudelten doch sicher Angebote ein?

Ja, die gab es, aber ich bin heimatverbunden, wohne auch ums Eck vom Fußballplatz. Und am Anfang habe ich eine Lehre gemacht, die ich nicht aufgeben wollte. Später ging ich arbeiten, zum Fußballtraining und wieder heim. Man hat zwar wenig Freizeit, aber Fußball ist meine Leidenschaft. Ich habe es auch nicht wegen dem Geld gemacht. Mit Frauenfußball konnte man sich den finanziellen Background nicht schaffen.

Maria Gstöttner in Aktion – Zeit ihres Fußballerinnenöebens bei Neulengbach
Maria Gstöttner in Aktion – Zeit ihres Fußballerinnenöebens bei Neulengbach © GEPA pictures/ Walter Luger

Anders als bei den Männern… Sie hingegen arbeiten zusätzlich 40 Stunden bei einer Versicherungsanstalt. Gleicher Lohn im Männer- und Frauenfußball, bleibt das eine Utopie?

Es hat sich die letzten Jahre viel entwickelt. Österreichische Spielerinnen in Deutschland oder auch in England kriegen mehr Unterstützung. Auch die Euro 2017 brachte einen großen Entwicklungsschritt, weil ja keiner damit gerechnet hat, dass das österreichische Team so weit kommt. Es wäre schön, wenn Frauen in Österreich in den nächsten zehn bis 15 Jahren vielleicht vom professionellen Fußball leben können.

Frauenspiele haben weniger Zuschauer, sind weniger medienwirksam. Interessiert der Sport die Leute nicht?

Es ist seit 2017 besser geworden mit ORF Sport Plus, wo es regelmäßig Liveübertragungen gibt. Aber, dass wie bei meinem Abschiedsspiel knappe 6000 Zuschauer kommen, bleibt halt eher die Ausnahme. Bei unserem Spiel im Frühjahr gegen Sturm Graz haben wir in der Merkur Arena gespielt, da war freier Eintritt. Mit solchen Schmankerln zieht man schon den einen oder anderen Neugierigen an. Bei einem großen Stadion muss man es auch finanzieren können. Beim Champions-League-Spiel der Frauen im April von FC Barcelona gegen Real Madrid kamen halt über 91.000 Zuseher ins Camp-Nou-Stadion. In Österreich muss man es kleiner starten. Und wir müssen schauen, dass wir viel früher ansetzen. Es gibt inzwischen die Akademien wie in St. Pölten, bei der Austria oder Sturm Graz, aber wir sind leider immer noch hinten nach. Es wäre schön, wenn es schneller geht.

Was hat sich in den 24 Jahren Ihrer Laufbahn weiterentwickelt?

Früher gab es keine Akademien. Und man wurde öfter belächelt von den Männern, es war die Rede von "Hausfrauenfußball". Sprüche wie "Du ghörst in die Kuchl" gibt's jetzt nicht mehr. 

Muss sich auch die Berichterstattung ändern?

Bei der EM der Frauen diesen Sommer wurden alle Spiele live im ORF übertragen, das gabs noch nie. Das kam gut an. Vielleicht könnte man auch das ein oder andere Spitzenspiel der Frauen, das auf ORF Sport plus läuft, stattdessen auf ORF 1 im Abendprogramm übertragen, so wie wenn das Nationalteam spielt.

Was war Ihr persönliches Karriere-Highlight?

Uh, da gibt's so viele. Der erste Meistertitel 2003, Bruno-Spielerin des Jahres 2018, Torschützenkönigin… und die Verabschiedung am 5. November war ein Wahnsinn, so emotional, so viele Zuseher. Die Kinder standen Spalier – ich helfe beim Jugendtraining mit – Feuerwerk im Hintergrund, alle haben geweint, auch meine Mutter. Sie meinte: "Das ist ein Traum."

2018 wurde Gstöttner bei der "Bruno"-Gala ausgezeichnet
2018 wurde Gstöttner bei der "Bruno"-Gala ausgezeichnet © GEPA pictures/ Martin Steiger

Die Eltern, die zuerst nicht so für die Fußballertochter waren…

Genau, sie sind sehr stolz. Sie haben mich voll unterstützt, als sie gemerkt haben, ich kann gut kicken. Wir haben eine Landwirtschaft zuhause und trotzdem sind sie immer zu Spielen mitgefahren, wo es ging.

Die stark kritisierte WM in Katar findet bald statt. Werden Sie die Weltmeisterschaft verfolgen?

Ich habe jetzt natürlich viel Zeit und werde mir das eine oder andere Spiel anschauen, ja.

Menschen- und Frauenrechte werden in dem Golfstaat missachtet. Zudem hat Katar 2009, als es um die WM-Vergabe ging, ein Frauennationalteam gegründet. Seit 2014 spielte dieses kein Spiel mehr und scheint heute in der Fifa-Weltrangliste nicht auf, sehr fragwürdig. Es ist definitiv ein "interessantes" Gastgeberland.

Ja, es ist schwierig. Natürlich will jeder sein Land präsentieren. Und es steckt da sicher ganz viel Geld dahinter. Aber man muss die FIFA schon fragen, warum sie das Ganze dorthin verlegen.

Wie sieht jetzt Ihre Zukunft aus – 2023 Wiederkehr als Trainerin?

Ich will einmal das nächste halbe Jahr keine Fixtermine haben, sondern Zeit für mich. Wenn ich Lust auf einen Heurigen-Besuch oder einen Musical-Abend habe, will ich das einfach machen können. Ich war immerhin fünf Mal die Woche am Sportplatz mit eigenem Training und Kindertraining etc. Man wird sehen, wie sehr es mir abgeht.