Als Anlaufstelle für die Ü30-Spieler der europäischen Top-Klubs war die Serie A immer schon bekannt. In Italien stellt man die positiven Begleiterscheinungen des Alters über Verletzungsrisiken und Abstriche bei der Schnelligkeit. Die beiden Mailänder Vereine sind damit heuer ganz besonders gut gefahren. Die auch nach 35 Spieltagen noch durchaus überraschende Tabellenführung des AC hat man auch Olivier Giroud (35) und Zlatan Ibrahimović (40) zu verdanken. Der in der Premier League ausgemusterte Franzose steuerte neun Treffer und vier Assists bei, der Schwede acht Tore bzw. drei Vorlagen. Keine schlechte Ausbeute für zwei mittelstürmende „Auslaufmodelle“.

Auf der schwarz-blauen Gegenseite kann man im Angriff ebenfalls auf die geballte Routine setzen. Der 36-jährige Edin Dzeko wurde trotz fortgeschrittenen Alters erst im Vorjahr für einen Schnäppchenpreis von Ligakonkurrent Roma geholt und bildet mit Ivan Perišić (33) die perfekte Ergänzung zu Top-Torjäger Lautaro Martinez. Mit Alexis Sanchez und Arturo Vidal gehören zwei weitere hochdekorierte Altmeister zu den Leistungsträgern. Der Slowene Samir Handanovič (37) sichert im Kasten die derzeit beste Defensive der Liga ab.

Mit Inter als Titelverteidiger konnte man vor der Saison im Rennen um den Scudetto noch rechnen. Dass der AC den Titelkampf tatsächlich zu einem „Derby della Madonnina“ machen wird, war so nicht zu erwarten. Das letzte Mal Kopf an Kopf lagen die Mailänder Traditionsteams 2011. Damals holte der AC seinen bisher letzten Meistertitel.

Die Mannschaft von Stefano Pioli legte bisher eine kompakte Saison ohne Ausreißer nach unten hin. Profitieren konnte man neben den eigenen Stärken auch von den Schwächen der Konkurrenten. Juventus Turin zeigte sich ohne Cristiano Ronaldo heuer nie wirklich als Meisterkandidat, der SSC Neapel (mit heuer noch rein theoretischen Chancen) ist seit Jahren nicht dazu in der Lage, nach guten Leistungen den letzten entscheidenden Schritt zu machen, und Atalanta Bergamo konnte nach Abgängen das Niveau der vergangenen Saisonen nicht halten.

Zwei Punkte Vorsprung vor den verbleibenden drei Spielen bringen Milan in eine bessere Ausgangsposition. Das Restprogramm könnte allerdings Inter entgegenkommen. Mit Empoli, Abstiegskandidat Cagliari und Sampdoria Genua stehen nur noch Nachzügler auf dem Spielplan. Die Rossoneri bekommen es neben Verona (Platz neun) und Sassuolo (Platz elf) am vorletzten Spieltag noch mit Atalanta Bergamo zu tun, das um die Qualifikation für Europa League bzw. Conference League kämpft. Es könnte also bis zum späten Nachmittag am 22. Mai offenbleiben, in welche Farben der Platz vor dem Mailänder Dom gehüllt wird.

Dass sich ein Transfer innerhalb einer Stadt bzw. zwischen verfeindeten Mannschaften manchmal rächt, könnte Hakan Calhanoglu heuer ganz besonders zu spüren bekommen. Der türkische Standardspezialist ist erst vor dieser Saison ablösefrei vom AC zu Inter gewechselt. Nicht zuletzt, um Meister zu werden.