Wenn ein ehemaliger Chef eines Geheim- oder Nachrichtendienstes ein Buch ankündigt, ist das Interesse logischerweise groß. Mit welchen spektakulären Enthüllungen würde der Autor aufwarten? Noch dazu, wenn es sich um den langjährigen Chef des Verfassungsschutzes (BVT), Peter Gridling, handelt: Wie sehr ist Österreich von russischen Spionen unterwandert? Was ist mit den Amerikanern, den Chinesen? Was mit den islamistischen Schläfern? Hat Österreich die Szene im Griff? Wurden Attentate verhindert?

"Fühlte mich wie Josef K. in Kafkas Prozess"

Die Neuigkeiten im Buch "Überraschungsangriff – Die Ausschaltung des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung"  halten sich in Grenzen – deshalb, weil sich der pensionierte BVT-Chef nahezu ausschließlich mit dem, wie er es selbst formuliert, "Überfall" auf den Verfassungsschutz unter FPÖ-Innenminister Herbert Kickl befasst.  Gridling wurde vom Innenminister suspendiert, ohne Angabe von Gründen. "Ich fühlte mich wie Josef K. in Kafkas Prozess."

Was Kickl mit der Razzia im Schild geführt habe, liege, so Gridling, auf der Hand: "Der Ruf des BVT sollte nachhaltig beschädigt und die Führung desavouiert bzw. ausgeschaltet werden." Ziel sei es gewesen, "ein Klima der Angst in Teilen des Innenministeriums zu erzeugen und es überfallsartig umzufärben." Um am Ende des Buches die rhetorische Frage in den Raum zu werfen: "Kann man solchen Personen die Sicherheit Österreich anvertrauen?"

Nehammer stellte sich nach Razzia hinter Kickl

Besonders pikant ist der Verweis auf eine Aussendung, die der damalige ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer nach der Razzia verfasst hat. Bekanntlich erteilt Nehammer heute einer Koalition mit dem jetzigen FPÖ-Chef mit dem Hinweis eine Absage, Kickl stelle ein "Sicherheitsrisiko" dar. In der Aussendung schrieb Nehammer damals: "Das Vorgehen von Innenminister Kickl war selbstverständlich mit der neuen Volkspartei abgestimmt und akkordiert. Die Volkspartei übt keine Kritik am Innenminister." Nur der damalige ÖVP-Sicherheitssprecher Werner Amon habe sich hinter Gridling gestellt.

WKStA als willfähriger Vollstrecker der FPÖ

Ganz schlecht kommt in dem Buch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) weg. Die Razzia konnte nur mit dem Einverständnis der Korruptionsjäger erfolgen. "Warum die WKStA zu einem willfährigen Mitspieler wurde, ist bis heute ein Rätsel. Dass sie sich "zum willfährigen Vollstreckungsgehilfen des (blauen) Generalsekretärs macht, ist irritierend." Bei der Hausdurchsuchung habe man ein Verhalten "wie ein Elefant im Porzellanladen" an den Tag gelegt. Keine der hochbrisanten Unterlagen wurde versiegelt.  

Die FPÖ und die Identitären

Gridling verweist einmal mehr auf den Konnex zwischen der FPÖ und den Identitären, die sich "permanent am Rande der Strafbarkeit" bewegen würden. Dass die Identitären eine NGO von rechts sei, wie von Kickl auch im jüngsten ORF-Sommergespräch gesagt, sei eine "Einschätzung, die wir nicht teilen konnten."  Bei Ermittlungen in der rechten Szene sei man oft auf FPÖ-Politiker gestoßen. Kickls Nähe zu Identitären sollte die Arbeit "schwierig gestalten." Der Ex-BVT-Chef ortet auch eine "mangelnde Sensibilität innerhalb der Polizei."

Die FPÖ und Russland

Das Verhältnis zwischen der FPÖ und Russland sei, schreibt Gridling, "ein seltsames." Und: "Die Nähe der FPÖ zu Russland und die Verbreitung prorussischer Propaganda hatte in der Vergangenheit zu kritischen Fragen geführt." Der Ex-BVT-Chef räumt ein, dass zumindest einer seiner ehemaligen Mitarbeiter im Verdacht stand, für die Russen spioniert zu haben.

ÖVP färbt "eleganter und weniger spektakulär" um

Immer wieder kommt Gridling auf die Tradition des Umfärbens in der Verwaltung zu sprechen. "Als erfahrener Beamter weiß ich, dass Umfärben anlässlich eines Wechsels an der Spitze eines Ministeriums nicht unüblich ist." Die ÖVP betreibe dies "eleganter und weniger spektakulär." Mit "größtmöglicher Wahrscheinlichkeit" könne er eine Involvierung des BVT "in die Vorgänge rund um das Ibiza-Video" ausschließen. Wie wenig Sensibilität die Politik im Umgang mit Sicherheitsaspekten an den Tag legt, sei allein daran zu erkennen, dass das Gebäude des BVT an einer Straße liege – und so leicht "Opfer von Lausch- und Spähangriffen" werden konnte.