Es war entlarvend, wie lang FPÖ-Chef Herbert Kickl mit der Antwort gezögert hat, als der Moderator des Abends, Thomas Prantner, die Frage gestellt hat: „Glauben Sie, dass Sie im nächsten Jahr Kanzler werden?“ Nach längerem Schweigen schränkte Kickl ein: „Ich gehe davon aus, dass ich den Regierungsauftrag (von Bundespräsident Van der Bellen) bekomme.“ Dass das nicht automatisch in eine Regierungsbildung mündet, steht auf einem anderen Blatt. Kickl war am Donnerstagabend Gast im Managementclub bei dem von Ex-ORF-Direktor Prantner organisierten und moderieren C-3-Business-Talk.

Amtsmissbrauch in der Hofburg?

In jedem Fall würde er mit der ÖVP und SPÖ Koalitionsgespräche führen. Rachegefühle gegenüber der ÖVP habe er keine. "Für mich ist jede Partei regierungsfähig." Über den Bundespräsidenten ließ er kein gutes Haar - und enthüllte, dass Van der Bellen in der Zeit, in der er, Kickl, Innenminister war, immer wieder den Versuch unternommen habe, Personen, die abgeschoben werden sollen, von der Liste zu streichen. Das grenze an "Amtsmissbrauch". Die ÖVP verstehe ausschließlich "die Sprache der Macht."

Kickl will "raus aus den Russland-Sanktionen"

Auf die Frage, was er prioritär als Bundeskanzler machen würde, nannte Kickl mehrere Aspekte: Er wolle Österreichs Neutralität und Souveränität "vor der EU retten", auch würde er sich der Reform des Gesundheitswesens, wo man überall "frustrierte Ärzte, Krankenpfleger, Patienten" antreffe, zuwenden. Darüber hinaus würde er ein "Jahrzehnt der Bildung" ausrufen, um den Anforderungen des Arbeitsmarkts Rechnung zu tragen. Ein EU-Austritt sei kein Thema. Die Inflation wolle er durch ein "Raus aus den Russland-Sanktionen" bekämpfen.

Strache - technisch für die Fisch'

Kickl gewährte an dem Abend Einblicke in seine politische Biografie. Er wollte nie FPÖ-Generalsekretär werden, auch nicht FPÖ-Abgeordnete, und auch das Innenministerium hatte er nicht im Visier. "Es fand sich sonst niemand in der FPÖ". Ibiza sei „wie ein Raketeneinschlag ohne Sirenenvorwarnung“ gekommen. Zur Frage, wie er seine Ex-Chefs umschreiben würde, bediente er sich der Welt des Fußballs: Heinz-Christian Strache erinnere ihn an den deutschen Fußballer Hrubesch, der "im Strafraum eine Wucht, aber technisch für die Fisch' war". Jörg Haider war „eher der Mittelfeldregisseur“.

Über die "Hintertüre der Philosophie" zum Glauben

Der FPÖ-Chef outete sich als gläubiger Mensch, der allerdings wenig mit der Amtskirche am Hut habe. "Ich bin über die Hintertüre der Philosophie zum Glauben gekommen." Er habe seine Büroräumlichkeiten von einem Militärseelsorger segnen lassen, der, so Kickls Behauptung, von der Kirchenführung dafür sanktioniert und abgezogen wurde.

Prantners Veranstaltung entwickelt sich immer mehr zum aktuell prominentesten Talk-Format des Landes vor Publikum. Der Ex-ORF-Journalist hatte zuletzt Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser, Finanzminister Magnus Brunner und Wiens Bürgermeister Michael Ludwig zu Gast, auf der Interviewliste stehen Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger und Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner.