„Es ist Zeit“ war 2017 der Werbespruch von Sebastian Kurz, als er mit türkisen Plakaten das Land überzog, um Bundeskanzler zu werden. Jetzt plakatiert ihn die niederösterreichische SPÖ. Und zwar nicht irgendwo, sondern auf ihrer prominentesten Plakatfläche, direkt neben ihrer Landeszentrale an der Stadteinfahrt in die Landeshauptstadt St. Pölten.

Kurz ist dort neben Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka abgebildet, gegen den ebenfalls von der Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt wird. Zentral richtet sich das Plakat aber gegen die Dritte im Bild: Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner. Die Botschaft ist klar: Mikl-Leitner und ihre Landespartei, die am 29. Jänner die letzte absolute Mehrheit verlieren könnte, sollen nicht die Gelegenheit bekommen, so zu tun, als ob die Vorwürfe gegen die Bundespartei sie nichts angingen.

Auch im türkisen Bund dominieren schwarze Niederösterreicher

Ein Argument, das die mächtige Landespartei, die als „LH Johanna Mikl-Leitner – VP NÖ“ auf den Stimmzetteln stehen wird, ohnehin nur schwer führen kann: Die Liste blau-gelber Politikerinnen und Politiker in Wien ist lang.

Angefangen mit Parteichef und Bundeskanzler Karl Nehammer: Er war mehrere Jahre lang Angestellter der Landespartei – zuerst als Geschäftsführer ihrer Parteiakademie, später als Chef der Abteilung für Kommunalpolitik. Sein neuer Bundesgeschäftsführer Christian Stocker ist Langzeit-Vizebürgermeister von Wiener Neustadt, Niederösterreichs zweitgrößter Gemeinde, in der außerdem Klaus Schneeberger Bürgermeister ist – als Langzeit-Klubobmann im Landtag einer der Fixsterne der Landespartei. Und dann sind da noch die Regierungsmitglieder: Innenminister Gerhard Karner war bis 2015 als Landesgeschäftsführer Erwin Prölls Mann fürs Grobe und der Anheizer an der Wahlkampfmaschine.

Klaudia Tanner, Verteidigungsministerin, verbrachte die vergangenen Jahre als Direktorin des niederösterreichischen ÖVP-Bauernbundes. Und Sobotka, als Nationalratspräsident formal zweiter Mann der Republik, war über Jahrzehnte Prölls Stellvertreter in der Landesregierung.

U-Ausschuss? "Plumper, purer Wahlkampf"

„Hanni“ Mikl-Leitner, wie die Partei sie gerne inszeniert, weiß, dass die anderen Parteien sie und die Volkspartei ins Visier genommen haben: „Plumpen, puren Wahlkampf“ ortete die 58-Jährige vergangene Woche bei ihrer zweiten Ladung in den Untersuchungsausschuss.

Während die ausgebildete HAK-Lehrerin (ein Beruf, in dem sie nur zwei Jahre tätig war) Fragen nach der Bundespolitik in aller Regel diplomatisch mit dem Ausdruck sanften Unmuts wegschiebt, hat sie es in den vergangenen Monaten durchaus verstanden, sich als Impulsgeberin für die Republik in Szene zu setzen – vor allem, wenn es darum geht, Wohltaten über die Wählerinnen und Wähler auszuschütten.

Schutzschirme und Rabatte auf blau-gelbe Bestellung

So war Mikl-Leitner im Sommer die erste, die in der ÖVP eine Strompreisbremse forderte. Ein Verlangen, dem die Regierung im Herbst folgte – Wochen nachdem das Land Niederösterreich in Gestalt von ÖVP, SPÖ und FPÖ, die dank Proporz gemeinsam die Regierung stellen, bereits einen eigenen „Strompreisrabatt“ ausgegeben hatte.

Auch, dass Nehammer unlängst betont hatte, nun eine neue Hilfe für Unternehmen und Heizkostenzuschüsse entwickeln zu wollen, die noch vor Weihnachten fertig wird, dürfte man in der Parteizentrale an der Traisen mit Genugtuung aufgenommen haben: „Es braucht einen Energieschutzschirm – und das noch vor Weihnachten!“, hatte Mikl-Leitner erst Ende November gefordert. Gesagt, getan.

Ziel 40 Prozent plus

Intern gilt Mikl-Leitner, die das Amt 2016 von Langzeit-Landeshauptmann Erwin Pröll übernommen und die Absolute 2018 verteidigt hat, als unumstritten. Sollte das Ergebnis bei der Wahl über 40 Prozent der Stimmen liegen, dürfte das auch so bleiben: Ein gewisser Verlust, auch durch den bundespolitischen Sog, dürfte unvermeidbar sein, so Parteistrateginnen und -strategen. Aber wenn sich dieser wie zuletzt in Tirol in beherrschbaren Grenzen hält, wäre die schwarze Machtposition nicht signifikant gefährdet.

Dazu dürfte beitragen, dass nach derzeitigen Umfragen keine der anderen Parteien in einem Ausmaß zulegen dürfte, das ihr auch nur im Ansatz ermöglichen würde, den Anspruch auf Mikl-Leitners Sessel zu stellen. Und dass das ORF-Landesstudio darauf bedacht ist, die Landeshauptfrau Woche für Woche gut ins Bild zu rücken, wie aktuelle Enthüllungen dokumentieren, dürfte auch nicht schaden.

Zu erwarten ist also, dass die ÖVP zumindest bis Jänner auch im Bund voll auf Niederösterreich-Linie bleiben wird: Mit Förderungen, die die Landeshauptfrau zuvor eingefordert hat – und einer betont harten Linie beim Thema Migration wie zuletzt bei der Frage nach der Schengen-Erweiterung.