Die Impfpflicht ist Geschichte, bevor sie je tatsächlich zur Anwendung kam. ÖVP und Grüne haben sich auf deren Abschaffung geeinigt. Das gaben Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) und ÖVP-Klubobmann August Wöginger (ÖVP) am Donnerstagnachmittag in einer Pressekonferenz bekannt. Der Grund: Die Impfpflicht habe Gräben aufgerissen und nur wenige Menschen zur Impfung motiviert.

Geboren wurde die Idee zur Impfpflicht vergangenen November bei einem Treffen der Regierungsspitze und der Landeshauptleute am Tiroler Achensee. In nächtlichen Verhandlungen rang man sich zum vierten Lockdown für alle durch. Weil man sicherstellen wollte, dass es der letzte sein sollte, wurde auch beschlossen, ab Februar 2022 eine Impfpflicht für alle einzuführen.

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Die Vereinbarung vom Achensee

Am 20. Jänner wurde das Impfpflicht-Gesetz mit deutlicher Mehrheit im Parlament beschlossen. 137 von 183 Abgeordneten stimmten dafür – mit Ausnahme einzelner Abweichler auch die Neos und die SPÖ. Nach dem Beschluss im Bundesrat trat das Impfpflicht-Gesetz am 4. Februar in Kraft, vorerst noch ohne Strafen. Unmittelbar danach begannen etliche Landeshauptmänner, das Gesetz in Zweifel zu ziehen. Nur eine Woche später stellte auch Bundeskanzler Karl Nehammer öffentlich infrage, ob das Gesetz je scharf gestellt wird. Bisher kam es nicht so weit. Zu Strafzahlungen (bis zu 3600 Euro sieht das Gesetz vor) kam es nie.

"Omikron hat die Spielregeln verändert"

Am Donnerstag brachten die Regierungsparteien nach Gesprächen mit der Opposition einen Initiativantrag im Parlament ein, dass die Impfpflicht komplett abgeschafft werden soll. Beschlossen wird das im letzten Plenum vor der Sommerpause, in der ersten Juliwoche. Am 14. Juli soll der Bundesrat die Gesetzesnovelle bestätigen.

"Die Impfpflicht wurde unter anderen Voraussetzungen beschlossen", sagt Gesundheitsminister Johannes Rauch: "Auch ich habe damals die Impfpflicht befürwortet, aber Omikron hat die Spielregeln verändert."

Bisher war die Impfpflicht nicht scharf gestellt, weil sie von einer eigens eingesetzten Kommission als "nicht verhältnismäßig" eingestuft wurde.

Die Impfpflicht hat zudem die Bereitschaft zur Impfung nicht verbessert – im Gegenteil: "Es ist eine Abwehrhaltung entstanden", so Rauch, der auf entsprechende Gespräche mit Betrieben und Vereine verweist. Es sei wichtig, grundsätzlich impfbereite Menschen nicht durch verhärtete Fronten bei der Impfpflicht von einer dringend wichtigen Auffrischungsimpfung abzuhalten.

Auch Befragungen des Corona Panel Projects zeigen: 13 Prozent der in Österreich lebenden Menschen wollen sich nicht impfen lassen, selbst wenn die Strafen fürs Nicht-Impfen exekutiert werden.

Impfpflicht hat Ablehnung erhöht

ÖVP-Klubobmann August Wöginger bekräftigt: "Wir wollen die Gräben zuschütten, die in der Gesellschaft entstanden sind, und das Miteinander wieder stärken." Ab dem Zeitpunkt, wo es das Impfpflicht-Gesetz gegeben hat, habe er in seiner Innviertler Heimat beobachtet, dass die Ablehnung gegen die Impfung sogar noch anstieg. Der Zusammenhalt sei in Familien und Vereinen in Mitleidenschaft gezogen worden. 

"Aber: Impfen bleibt weiterhin eine wichtige Maßnahme. Es schützt vor schweren Erkrankungen", betont Wöginger.

Dass bei der Entscheidung zur Abschaffung die anstehenden Landtagswahlen in Tirol oder Niederösterreich ihre Schatten vorauswerfen, weist Rauch entschieden zurück: "Wir haben die Zustimmung zur Impfung verloren, da müssen wir etwas tun. Landtagswahlen sind mir wurscht."