Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 hat Christoph Leitl nicht mehr die Öffentlichkeit gesucht. Der ehemalige Präsident der Wirtschaftskammer hat den Kreml-Chef nicht nur mehrfach getroffen, wenige Wochen nach der Krim-Annexion rollte er diesem in Wien den roten Teppich aus. Leitl gilt als Inbegriff des "Putin-Verstehers".

An sich wollte Leitl die aktuelle Lage nicht kommentieren: "Solange die Waffen sprechen, schweige ich." Um dann doch im Gespräch mit der Kleinen Zeitung seine tiefe Enttäuschung über die Entwicklung zu äußern. "Ich bin mit meinen Friedensbemühungen gescheitert." Er habe immer auf das Prinzip der Kooperation gesetzt. Sein Projekt einer Freihandelszone von Lissabon bis Wladiwostok sei um Jahre, wenn nicht sogar um ein Jahrzehnt zurückgeworfen worden. Europa müsse nun nach neuen Partnerschaften Ausschau halten.

Ob er nicht zu naiv gewesen sei? "Wenn man sich um den Frieden bemüht, will ich mir nicht später einmal vorwerfen lassen, dass ich etwas auf dem Weg dorthin verabsäumt hätte." Ob er von Putin tief enttäuscht sei? "Ich bin wie viele andere entsetzt über seine Entwicklung. Was er tut, ist einfach nicht nachvollziehbar und das Gegenteil dessen, was ich immer wollte."

Leitl ist allerdings nicht bereit, die Flinte ins Korn zu werfen, und versucht, im Kleinen zu realisieren, woran er im Großen gescheitert ist. Auf der Europaburg in Forchtenstein bei Neumarkt bringt er seit Jahren Jugendliche aus unterschiedlichsten Ländern zusammen, um sie für die Europa-Idee zu begeistern. Im Juni kommen in der Obersteiermark Jugendliche aus den Balkanstaaten zusammen, im Juli aus der Ukraine, im September geht wohl das spektakulärste Treffen über die Bühne: mit Jugendlichen aus Griechenland und der Türkei.

In den letzten Tagen sind Gerüchte aufgetaucht, Leitl könnte bei der Bundespräsidentenwahl antreten. Auslöser ist offenbar eine Umfrage, bei der unter anderem Leitls Popularität abgefragt wird. Der ÖVP-Politiker dazu: "Das ist kein Thema."