Ein beängstigendes Szenario hat die vom neuen deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz eingerichtete Corona-Taskforce in ihrem ersten Papier, das seit dem Wochenende zirkuliert, entwickelt. Die Experten, darunter die bekannten Virologen Christian Drosten oder auch Hendrik Streeck, warnen in ihrem dreiseitigen Kurzgutachten, dass die hochinfektiöse Variante „eine neue Dimension im Pandemiegeschehen“ eröffne, selbst wenn Omikron weniger tödlich ist als die aktuelle Delta-Mutation. Sollte sich Omikron in ganz Deutschland ausbreiten, wäre „ein relevanter Teil der Bevölkerung zeitgleich erkrankt und/oder in Quarantäne.“ Betrüblicher Einschub: „Eine massive Ausweitung der Booster-Impfung kann die Dynamik verlangsamen und damit das Ausmaß vermindern, aber nicht verhindern“.

Was die Experten in noch nie dagewesenen Deutlichkeit ansprechen, sind weniger die unausweichlichen Folgen für das Gesundheitssystem, also Spitäler, Alten- und Pflegeeinrichtungen, sondern jene für die gesamte kritische Infrastruktur. Sollten ein Fünftel, ein Viertel, ein Drittel der Angestellten ausfallen, hätte dies folgenschwere Auswirkungen für den Lebensmittelhandel, für die Polizei, die Rettung, die Feuerwehr, für Apotheken, für die Betreiber öffentlicher Verkehrsmittel sowie von Telekom-, Strom-, Gas-, Wasserversorgern bis hin zu Medienhäusern, etwa den ORF, wie auch Schulen oder auch Kindergärten.

Ansteckender als alle bisherigen Varianten

Rotkreuzkommandant Gerry Foitik hat bereits vor zwei Wochen in diversen Krisenstäben Alarm geschlagen. „Da Omikron deutlich ansteckender ist als alle bisherigen Varianten, werden sich gleichzeitig deutlich mehr Leute infizieren. Davon sind auch Geimpfte und Genesene betroffen. Das hat unweigerlich Auswirkungen auf den Personalstand, insbesondere für die kritische Infrastruktur“, so Foitik im Gespräch mit der Kleinen Zeitung. Der Rettungskommandant will nicht ins Detail gehen, führt allerdings nur einen Aspekt an: „Wer jetzt seinen Weihnachtsurlaub antritt, muss damit rechnen, vom Chef angerufen zu werden, mit der Bitte, den Urlaub abzubrechen, weil Arbeitskollegen in großen Ausmaß ausgefallen sind.“

Dem Vernehmen nach wurden in den Stäben bereits erste Szenarien durchgespielt. Sollten bei einer Supermarktkette etwa ein Drittel der Angestellten in Krankenstand gehen, könnten sich die Betreiber etwa veranlasst sehen, das Personal zusammenzuziehen und jede dritte Filiale vorübergehend zu schließen. Die Rettungsorganisationen könnten gezwungen sein, die Krankenhaustransporte oder die Heimpflege zurückzufahren. Die Polizei könnte, so eine Option, die Überwachung des ruhenden Verkehrs einstellen.

Corona-Gipfel am Mittwoch

In der Bundesregierung will man diese Szenarien nicht im Detail kommentieren. Am Mittwoch finden sich neuerlich die Landeshauptleute zu einem Corona-Gipfel im Kanzleramt ein, der neue Corona-Krisenstab (Gecko) sollte erstmals dabei sein. Bei dem Treffen will man in erster Linie eine Bestandsaufnahme vornehmen, von neuen Beschränkungen will man - derzeit - absehen. Manche Beobachter spekulieren bereits mit einem weiteren Gipfel zwischen Weihnachten und Neujahr, der Kanzler hat jedenfalls keine Urlaubspläne – abseits der Hoffnung, ein, zwei Tage in Ruhe mit den Kindern und der Familie zu verbringen.