Um Familie und Beruf besser vereinbar zu machen und die Elementarbildung zu stärken, fordern die Sozialpartner und die Industriellenvereinigung einen Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz bereits ab dem 1. Geburtstag des Kindes. Der Platz soll qualitativ hochwertig, ganztägig und ganzjährig verfügbar und leistbar sein, der Rechtsanspruch in zwei Etappen eingeführt werden: Ab Herbst 2023 soll er ab dem 2. Geburtstag gelten, ab Herbst 2025 ab dem 1. Geburtstag.

Derzeit liege die Kinderbetreuungsquote der Unter-Dreijährigen in Österreich bei 27,6 Prozent, sagte WKÖ-Vizepräsidentin Martha Schultz am Montag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit ÖGB, Arbeiterkammer, Landwirtschaftskammer und Industriellenvereinigung. "Das Angebot soll flächendeckend sein, also vom Neusiedler See bis zum Bodensee", sagte Schultz. Für Tourismus-Beschäftigte wäre es auch wichtig, dass die Kindergärten während der Ferienzeiten nicht geschlossen seien, betonte die Tirolerin.

Um das "Barcelona-Ziel" der EU zu erreichen, nämlich eine Betreuungsquote von 33 Prozent, würden 10.000 Betreuungsplätze fehlen, sagte Infineon-Österreich-Chefin und IV-Vizepräsidentin Sabine Herlitschka. Für die Bekämpfung des Fachkräftemangels sei die Kinderbetreuung ein entscheidender Faktor, um mehr Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu erreichen, das würden alle Studien belegen.

Engpässe bei der Kinderbetreuung gebe es vor allem im ländlichen Raum, sagte die Vizepräsidentin der Landwirtschaftskammer Steiermark, Maria Pein. Deswegen würden junge Frauen öfter vom Land abwandern als Männer.

Um den Ländern und Gemeinden genug Zeit für die Ausbildung der fehlenden Pädagoginnen und Pädagogen zu geben, sollte die Umsetzung laut ÖGB-Vizepräsidentin Korinna Schumann in zwei Etappen erfolgen, mit einem Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für alle Kinder ab zwei Jahren ab Herbst 2023 und ab Herbst 2025 für alle Kinder, die älter als ein Jahr sind. Um dieses Ziel zu erreichen, brauche man bis 2023 rund 3.000 zusätzliche Pädagoginnen und bis 2025 rund 4.600, sagte Herlitschka.

Für die Betreuung fordern die Sozialpartner bundesweit einheitliche Qualitätskriterien. Bei der Ausbildung der Pädagoginnen wird mittelfristig der Umbau des Ausbildungssystems mit einem Abschluss für Elementarpädagogik auf tertiärem Niveau und die Einrichtung eines öffentlich finanzierten Bachelor-Studiums bis 2023 gefordert.

Mehr Geld für Kindergärten

Österreich müsse bei den Ausgaben für Elementarpädagogik unbedingt bis 2025 auf den EU-Durchschnitt von einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts aufschließen, sagte AK-Präsidentin Renate Anderl. Laut einer aktuellen Studie von Eco Austria würde die Erhöhung der Betreuungsquote um 20 Prozentpunkte etwa 893 Mio. Euro pro Jahr kosten. Gleichzeitig gäbe es 567 Mio. Euro an direkten Rückflüssen über öffentliche Abgaben sowie 815 Mio. Euro an zusätzlichen Konsumausgaben. Binnen kürzester Zeit würden über zwei Drittel der Kosten über Steuereinnahmen refinanziert, argumentierte Schultz.

Auch die SPÖ-Frauen fordern neuerlich die Umsetzung des Rechtsanspruches auf ganztägige Kinderbetreuung. "Die Kinderbetreuungsmilliarde muss es endlich geben", sagte SPÖ-Frauenvorsitzende Eva-Maria Holzleitner laut Mitteilung.

Gewerkschaften und Betriebsräte der privaten Kindergarten-Trägerorganisationen haben für morgen (Dienstag) Betriebsversammlungen und Kundgebungen angekündigt, in denen sie bessere Arbeits-Rahmenbedingungen fordern wollen.