Im Camineum in der Nationalbibliothek, dass derzeit noch als Ausschusslokal des Ibiza-U-Ausschusses fungiert, gibt sich diese Woche das Who-is-who der ÖVP die Klinke in die Hand: Am Mittwoch werden Ex-Finanzminister Josef Moser, Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger und Strategieberater Daniel Kapp aussagen. Am Donnerstag sind Finanzminister Gernot Blümel (zum dritten Mal), Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (zum zweiten Mal) und der zurückgetrenene Öbag-Chef Thomas Schmid geladen - ob dieser der Aufforderung allerdings nachkommen wird, ist noch offen.

Offen ist auch, ob es eine Geschäftsordnungsreform für parlamentarische Untersuchungsausschüsse geben wird, um nach den Erfahrungen des Ibiza-U-Ausschusses das Regelwerk zu verändern. Ideen dafür liegen viele am Tisch - die Vorstellungen der Parteien darüber gehen aber weit auseinander. Ein Überblick:

Müssen Auskunftspersonen besser geschützt werden?

Nur drei Wochen nach der ersten Befragung im Ibiza-U-Ausschuss kam der erste Knalleffekt: Die Verfahrensrichterin Ilse Huber legte ihre Funktion zurück, weil es „unsachlich und persönlich“ zugehe. Auch Auskunftspersonen beklagten wiederholt, schlecht behandelt worden zu sein.

Grundsätzlich bietet die Verfahrensordnung ein Instrumentarium zum Schutz der Auskunftspersonen. Eine Vertrauensperson, eine Verfahrensrichterin, ein Verfahrensanwalt und der Nationalratspräsident können intervenieren, wenn während einer Befragung Persönlichkeitsrechte verletzt werden. Nach der Befragung hat man drei Tage Zeit, um im Protokoll Berichtigungen vorzunehmen. Und wer sich verletzt fühlt, kann bis zum VfGH gehen. Das hat etwa Kathrin Glock, die Ehefrau des Waffenherstellers Gaston Glock gemacht. Ihr Verfahren ist noch nicht entschieden. Bis jetzt wurde vor dem VfGH aber noch in keinem einzigen Fall die Verletzung der Persönlichkeitsrechte anerkannt. „Es gibt einen Schutzschirm, der muss auch aufgespannt werden“, sagt die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ).

Die ÖVP hält das aktuelle Regelwerk für nicht weitreichend genug: Fraktionsführer Andreas Hanger fordert eine Wahrheitspflicht auch für Fragesteller. Wie genau das überprüft oder sanktioniert werden soll, wisse er noch nicht. Er stellt aber fest: "Wir brauchen Ausgewogenheit zwischen demjenigen, der befragt wird und den Fragestellern selbst", sagt Hanger. Für die ÖVP ist das die Grundvoraussetzung für weitere Reformen.

Soll der U-Ausschuss live übertragen werden?

Die Idee kam früh auf, zumal die Befragungen für Journalisten, die wegen der Pandemie auf verschiedene Räume aufgeteilt waren, ohnehin per Video übertragen wurde. SPÖ, FPÖ, Grünen und Neos fordern daher eine Live-Übertragung. Die ÖVP war bisher zurückhaltend, doch das ändert sich jetzt. Wenn eine Wahrheitspflicht für Fragesteller eingeführt wird, kann sich auch die ÖVP TV-Übertragungen vorstellen, betonte Andreas Hanger am Dienstag. Dies könnte ein Instrument sein, um eine "andere Kultur" in den Untersuchungsausschuss zu bekommen. Seitens der Parlamentsdirektion wird überlegt, künftig einen Livestream anzubieten. Allerdings nur bei der Befragung von politischen Mandats- und Funktionsträgern, wie Bures betont. Bei privaten Auskunftspersonen sollen die Übertragungen unterbrochen werden.   

Braucht es neue Regeln zur Handyauswertung?

ÖVP-Verfassungsministerin Karoline Edtstadler regte an, neue rechtliche Rahmenbedingungen für Handychats zu diskutieren. Es gäbe ein Recht auf Privatsphäre und das Briefgeheimnis, sagt sie, und Äußerungen seien nur „durch Umgehung der Privatsphäre und des Datenschutzes an die Öffentlichkeit gelangt.“ Wenn in einer Ermittlung ein Handy abgehört werden soll, brauche man dafür eine richterliche Genehmigung. Aber bei den jetzigen Fällen seien Handys abgenommen und tausende Nachrichten einfach ausgelesen worden, so Edtstadler auf Puls24. Tatsächlich wurde bei der WKStA jeder einzelne Chat auf seine politische Relevanz geprüft. Manfred Matzka, der frühere Präsidialchef des Bundeskanzleramts, will allerdings keinen Vergleich zwischen Abhören und Sicherstellen feststellen: „Ich sehe die Parallele zwischen dem Eingreifen in Form einer Telefonüberwachung und der Auswertung von vorhandenen Chat-Protokolle nicht.“ Auch das Strafrecht unterscheide zwischen gesprochener und vorschriftlicher Sprache.

Sollen U-Ausschüsse weiterhin parallel zu Strafverfahren geführt werden?

Im U-Ausschuss ist es ein sich wiederholendes Ärgernis: Auskunftspersonen entschlagen sich, weil gegen sie auch seitens der Justiz ermittelt wird. Umgekehrt finden Staatsanwälte es ärgerlich, wenn das Parlament sich parallel ihren Ermittlungen befasst. Die Präsidentin der Staatsanwälte, Cornelia Koller hielte es für sinnvoll, wenn U-Ausschüsse nicht parallel zu Ermittlungen laufen. Damit könnte man verhindern, dass Ermittlungen beeinträchtigt werden - und die Staatsanwälte würden dann nicht so sehr in den Mittelpunkt der Diskussionen gestellt. Koller betonte allerdings, dass das keine Forderung sei, sondern eine Frage, die die Politik zu beantworten habe.

Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) findet die Idee gut. Es sei "nicht Zweck des Strafrechts, politische Auseinandersetzungen auszutragen", sagte Edtstadler. Die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) hingegen hält nichts davon:  Ein „Timeout für parlamentarische Kontrolle" dürfe es nicht geben. Auch NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger lehnt ein Abwarten jedenfalls strikt ab. Die FPÖ findet den Vorschlag „diskussionswürdig“.

Egal ob Hypo-, Eurofighter-, oder BVT-U-Ausschuss – sie alle hätten bisher nicht stattfinden können, weil es noch Gerichtsverfahren gibt, die letztinstanzlich noch nicht entschieden sind. Das hieße aber auch: Die neuen Gesetze, die als Konsequenz dieser Ausschüsse entstanden sind – etwa die Neuordnung der Finanzmarktaufsicht oder das Verbot von Gegengeschäften – wären nicht umgesetzt worden.

Braucht es neue Regeln für den Umgang mit Akten?

Ja. Wie die allerdings ausgestaltet sein sollen, davon haben die Parteien aber sehr unterschiedliche Vorstellungen. Doris Bures weist darauf hin, dass es quer durch alle Rechtsgrundlagen einheitliche Standards brauche. „Eines der größten Probleme des aktuellen U-Ausschusses ist die schleppende, unvollständige und mit ungerechtfertigt strengen Geheimhaltungsklassifizierungen versehenen Aktenvorlage“, so Bures. Klassifizierungen müssten bei der Aktenerstellung vorgenommen, und nicht erst, wenn das Parlament die Akten anfordert. Im Nachhinein sollen sie nicht verändert werden. Auch das Archivgesetz müsse überarbeitet werden, damit sichergestellt ist, dass digitalisierte Informationen verfügbar bleiben. „Es sollte keine amtliche Information geben, die nicht elektronisch angelegt ist“, so Matzka.

Hanger hofft auf Änderungen in der Strafprozessordnung, da für ihn die Ermittlungsakten unter den Beweismitteln zu umfangreich sind, da diese nach und nach wie eine Perlenkette ergänzt werden können, was möglicherweise auch zu Leaks führe.

Wie geht es mit privaten Chats weiter?

Die Auffassungen davon, was als „privat“ bewertet wird, sind sehr unterschiedlich. „Aussagen, die sich auf Dinge beziehen, die man amtlich tut, oder die Amtsträger innerhalb ihrer Funktion ausführen, sind nicht privat“, sagt Manfred Matzka. Er findet, in den veröffentlichte Chats gehe es nur um den öffentlichen Sektor und Funktionen.

„Wenn sich politische Amtsträger über politische Vorgänge austauschen, ist das keine Verletzung der Privatsphäre“, sagt Doris Bures mit Verweis auf Judikatur des VfGH.

Müsste der Untersuchungsgegenstand eingeschränkt werden?

Das Aktenkonvolut, das diesmal geliefert wurde, ist auch deshalb so groß, weil der Untersuchungsgegenstand mit der „mutmaßlichen Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung“ sehr weit gefasst ist. Das wurde allerdings vom Verfassungsgerichtshof zu entschieden, nachdem der Geschäftsordnungsausschuss des Nationalrates den Gegenstand für unzulässig erklärt hatte und SPÖ und Neos den VfGH angerufen hatten. Der Parlamentsjurist David Loretto dazu: „Man kann nicht gesetzlich vorgeben kann, dass ein zu untersuchender Vorgang möglichst einfach ist.“

Sollen unabhängige Richter den Vorsitz führen?

Schon als die Verfahrensordnung von Untersuchungsausschüssen im 2015 grundlegend überarbeitet wurde, wurde heftig über die Vorsitzführung diskutiert. Sollten unabhängige Richter den Ausschuss leiten? Alle Parlamentsparteien beschlossen damals einstimmig: Nein. Um eine bessere Balance zwischen Legislative und Exekutive herzustellen und das Instrument parlamentarisch zu halten, sollten das Präsidium des Parlaments den Vorsitz führen. Wolfgang Sobotka, dessen Vorsitzführung wiederholt in der Kritik stand, regte an, die Entscheidung noch einmal zu überdenken. Doris Bures sieht dazu keinen Anlass: Bisher habe der Vorsitz durch das Parlamentspräsidium gut funktioniert. „Erstmals wird von einigen das Instrument in Misskredit gebracht und Glaubwürdigkeit und Relevanz beschädigt.“ Anlässlich der Diskussion um eine mögliche Befangenheit leitet sie für zukünftige Ausschüsse ab: „Befangenheit muss kein Schuldeingeständnis sein, involviert zu sein. Befangenheit wirkt aber auch dann, wenn die Gefahr besteht, dass die Glaubwürdigkeit des U-Ausschusses beschädigt werden könnte.“