Verfassungsexperte Bernd-Christian Funk sagt im Ö1-Morgenjournal, eine Prognose über das weitere Verfahren könne er nicht abgeben, die bisherigen Zeichen würden aber auf eine Anklage in Form eines Strafantrags hindeuten - es seien aber noch einige Fragen offen. Ein Strafantrag in Form einer Anklage setze voraus, dass der Sachverhalt ausreichend geklärt und eine Verurteilung nahe läge. Geklärt werden müsse auch noch die Zuständigkeit der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, das scheine ihm nicht ganz eindeutig zu sein.

Für Kurz könne es jedenfalls "sehr heikel werden", sagt Funk. Wenn es tatsächlich zu einer Anklage kommt, sei es Sache der Anklagebehörde, sowohl das Geschehen - "sprich die falsche Aussage" - als auch das Verschulden nachzuweisen. Es läge nicht an Kurz, sich "freizubeweisen". "Die Beweislast liegt bei der Anklagebehörde." Hier sei bereits darauf hingewiesen worden, dass es einige offene Fragen gäbe: "Hat wirklich eine falsche Aussage stattgefunden und ist sie wissentlich erfolgt oder nicht - also die Frage des Vorsatzes."

Wesentlich sei hier eben die Frage des Vorsatzes. Kurz hatte bisher auffällig oft darauf hingewiesen, dass er vorsätzlich nichts Falsches ausgesagt habe, sondern mit dem Vorsatz in den U-Ausschuss gegangen sei, die Wahrheit zu sagen. "Man müsse dann unter Anwendung aller Möglichkeiten der Wahrheitsfindung  - da wird man sich auch auf Einvernahmen des Bundeskanzlers selbst beziehen müssen - ein klare Beurteilung vornehmen." Es sei aus seiner Sicht nicht logisch, wenn man jetzt einerseits Vorwürfe erheben würde, gegen die sich der Kanzler zur Wehr setzen dürfe, und auf der anderen Seite ihm dann zum Vorwurf mache, "warum setzt er sich zur Wehr, warum tritt er nicht zurück." Das ergäbe juristisch gesehen keine innere Logik.

Das läge auch in der Logik seiner Verteidigungsrechte, so Funk, dass Kurz eben sowohl das Geschehen als auch den Vorsatz bestreite. Man könne ihm - aus juristischer Sicht - nicht zum Vorwurf machen, dass er sich zur Wehr setzt und nicht zurücktritt. Das sei sein Recht als Beschuldigter. 

Frage der Zuständigkeit

Eine zweite Frage sei, so Funk, ob die WKStA als Anklagebehörde wirklich für den Fall zuständig ist oder der Fall an eine andere Justizbehörde übertragen werde. Zur Erklärung: Bei diesem Delikt käme üblicherweise die Staatsanwaltschaft Wien zum Zug, das Verfahren wurde aber an die WKStA abgetreten, weil ein "enger sachlicher Zusammenhang" zu einer anderen Causa besteht, in der die WKStA ermittelt - nämlich rund um die Errichtung der ÖBAG mit ihrem Chef Thomas Schmid. 

Verfassungsjurist Funk hält die Zuständigkeit hier für unklar. In solchen Fällen müsse die Generalprokuratur entscheiden. Funk hält eine Änderung der zuständigen Behörde nicht für ausgeschlossen.