Die Causa Casinos hat am Dienstag die Abgeordneten im Rahmen einer Sondersitzung im Nationalrat beschäftigt. Eine Dringliche Anfrage der SPÖ an Eduard Müller brachte kaum brisante Einblicke - außer dass der Finanzminister seinen Vorgänger Hartwig Löger in der Affäre in Schutz nahm. ÖVP und FPÖ wiesen alle Vorwürfe von sich und erklärten, die Sondersitzung sei vor allem ein Ablenkungsmanöver der SPÖ von ihren eigenen Problemen.

Die Sozialdemokraten wollten unter anderem wissen, inwiefern neben FPÖ-Akteuren auch türkise Politiker in die Affäre um Korruptionsverdacht und Postenschacher bei den Casinos Austria verwickelt waren und ob es tatsächlich Gegengeschäfte in Form von Glücksspiellizenzen gegeben hat. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner forderte in ihrer Rede "schonungslose Aufklärung" und nannte einen Untersuchungsausschuss zur Causa Casinos "unausweichlich".

Finanzminister Müller sicherte in der Beantwortung der Anfrage zu, sein Ministerium werde die Behörden und das Parlament bei der Aufklärung der Causa Casinos "vollumfänglich" unterstützen. Müller gab außerdem bekannt, er habe die Finanzprokuratur in der Affäre mit einer genauen Prüfung eines übermittelten Privatgutachtens "zur glücksspielrechtlichen Beurteilung der Bestellung eines Vorstandsmitgliedes der Casag" beauftragt - wohl mit Blick auf die Bestellung von FPÖ-Bezirksrat Peter Sidlo zum Finanzvorstand der Casinos Austria. Einer Redlichkeits-und Eignungsprüfung zufolge lagen zum Zeitpunkt der Bestellung Sidlos laut Müller keine Gründe vor, die einer solchen widersprochen hätten.

Aus der Schusslinie

Weiters nahm Müller Ex-Finanzminister Löger aus der Schusslinie. Die Staatskommissäre hätten von seinem Vorgänger "keine Informationen über die Eignung von Peter Sidlo erhalten", so Müller. Löger hätte in dieser Causa keine Weisungen erteilt, berichtete er. ÖVP-Minister Löger war in der Causa Casinos unter Druck geraten, weil sich Ex-Vizekanzler Strache bei ihm per SMS für die "Unterstützung bezüglich CASAG" bedankt hatte.

Die (ohnehin unverbindlichen) Entschließungsanträge, die bei der Sondersitzung zu den Casinos eingebracht wurde, sind zum größten Teil gescheitert. Angenommen wurde von Türkis-Blau einzig ein Antrag, der eine volle Aufklärung der Ibiza-Affäre verlangte.

Keine Ausweitung der Prüfkompetenz des Rechnungshofes

Gescheitert ist hingegen beispielsweise ein Antrag, Peter Sidlo als Finanzvorstand der Casinos abberufen zu lassen. Ebenso keine Mehrheit bekam das freiheitliche Ansinnen, den Rechnungshof Unternehmen mit mindestens 25 Prozent öffentlicher Beteiligung prüfen zu lassen. Hier verhinderten ÖVP und SPÖ einen Beschluss.

Was wusste die ÖVP?

"Die selbsternannte Heimatpartei FPÖ" habe die Absicht gehabt, ein Unternehmen massiv zu schwächen, an dem die Republik beteiligt ist. "Was wusste der Koalitionspartner ÖVP?"

Kontakte zwischen Aufsichtsratsvorsitzendem und damaligem Finanzminister Hartwig Löger, zwischen Ex-Kanzleramtsminister Gernot Blümel und Novomatic seien belegt, auch ein Gespräch "nicht irgendwo, sondern im Bundeskanzleramt, im zeitlichen Zusammenhang." Sie erwarte sich Aufklärung vom heutigen Finanzminister Eduard Müller, der damit Gelegenheit habe, "seine Unabhängigkeit zu beweisen".

94 Fragen umfasste die Dringliche Anfrage an Müller. Parlamentspräsident Wolfgang Sobotka äußerte Zweifel, ob die vorgesehenen 20 Minuten reichen würden, "aber es soll so lange dauern, bis sie beantwortet sind".

ÖVP und FPÖ haben bei der Nationalratssondersitzung zum Gegenangriff geblasen und jeweils die SPÖ wegen deren Beziehungen zur Glücksspiel-Branche attackiert. Die Grünen rechneten vor allem mit den Freiheitlichen ab, NEOS sehen die ÖVP ebenso beteiligt.

Gutachten zu Sidlo-Bestellung

Finanzminister Müller gab bekannt, dass er die Finanzprokuratur mit einer Prüfung eines übermittelten Privatgutachtens zur glücksspielrechtlichen Beurteilung der Bestellung eines Vorstandsmitgliedes der CASAG beauftragt habe. 

Im April erfolgte bereits eine erforderliche Redlichkeits-und Eignungsprüfung nach dem Glücksspielgesetz und die glücksspielrechtlichen Anforderungen wurden seitens der CASAG bescheinigt. Zum Zeitpunkt der Bestellung lagen keine Gründe vor, die einer möglichen Bestellung widersprachen.

Der Vorstand der in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft errichteten ÖBAG sei grundsätzlich weisungsfrei, im Gegensatz zur früheren ÖBIB, die den Weisungen des Finanzministers unterworfen war. Im Klartext: Die Bestellung bedurfte keiner Zustimmung des Finanzministers.

„Der Vorsitzende des Aufsichtsrates bekräftigt, dass nach seinen Wahrnehmungen sowohl ÖBAG-intern als auch in Bezug auf das Management der Beteiligungsgesellschaften der ÖBAG die volle Handlungsfähigkeit des Vorstandes gegeben ist und daher derzeit kein Handlungsbedarf besteht“, so Müller. 

Er habe aber jedenfalls den Vorsitzenden des Aufsichtsrates der ÖBAG ersucht, seine aktienrechtliche Verantwortung der Steuerung und Überwachung des Vorstandes weiterhin intensiv wahrzunehmen und das Finanzministerium laufend zu informieren. Der Einfluss des Eigentümers werde über die Bestellung der Aufsichtsräte sichergestellt.

"Staat und Unternehmen vor Schaden schützen"

Das Finanzministerium werde die Behörden und das Parlament vollumfänglich in der raschen Aufklärung der gegenständlichen Causa unterstützen. „Im Rahmen unserer Verantwortung werden wir darauf achten, dass die Wettbewerbsfähigkeit der betroffenen Gesellschaften geschützt und die Interessen der Republik im Sinne der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler gewahrt werden. Außerdem dürfen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht die Leidtragenden der Causa sein“, so Müller abschließend.

Zum laufenden Verfahren der Wirtschafts- und Korruptions-Staatsanwaltschaft könne man keine Auskunft geben, das es sich um eine Verschlusssache handle.

Emotionale Debatte

Jan Krainer (SPÖ) hielt im Anschluss an die Anfragebeantwortung fest: "Peter Sidlo hatte nie mehr als zehn Mitarbeiter, jetzt sind es mehr als 1.000. Er erfüllt die gesetzlichen Voraussetzungen nicht, das sieht man auf den ersten Blick." Das habe auch Aufsichtsratsvorsitzender Walter Rothensteiner gesehen: "Es war klar, dass da einer ins Cockpit gelassen wird, der dort nichts verloren hat. Löger hat beide Augen zugemacht und das durchgewinkt." Er zähle daher "zu Recht" zum Kreis der Beschuldigten.

Wolfgang Gerstl (ÖVP) sah in der Sitzung nur einen Ablenkungsversuch der SPÖ von ihren "schrecklichen Ergebnissen" bei den letzten Wahlen. Die ÖVP hoffe auf Aufklärung, und werde alles, was möglich sei, dazu beitragen. Aber: "Wir werden den Rechtsweg gegen alle beschreiten, die Kurz oder Blümel unterstellen, in strafbare Handlungen involviert gewesen zu sein."

Für Herbert Kickl (FPÖ) ist überhaupt alles ganz einfach: Ein SPÖ-Vorstand wurde durch einen FPÖ-Mann ersetzt. Das gehe offenbar gar nicht. "Da werden alle Register gezogen." Der ehemalige Vorstand sei laut Personalberater sogar noch weniger qualifiziert gewesen als Sidlo, aber zwölf Jahre lang im Vorstand der Casinos gesessen. "Da reden wir ja nicht von Postenschacher, sondern von Pfostenschacher!" Die SPÖ mache sich zum "nützlichen Idioten" des tschechischen Miteigentümers in Tschechien, der die macht an sich reißen wolle. Wenn schon, dann müssten lange Jahre zurück alle Vorgänge durchleuchtet werden.

Werner Kogler (Grüne) ist die Aufklärung der erste, Einsicht ein zweiter und Besserung der dritte Schritt. Oder, um mit den Worten des christlichen Abendlandes zu sprechen: "Beichte, Buße, Besserung." Immer dann, wenn die Blauen in die Regierung kämen,habe man es mit einer Häufung von Besetzungen mit unfähigen Personen, von illegalen Aktionen, "davon, dass dem Staat Geld gefladdert werden soll" zu beobachten. "Wir arbeiten ja heute noch an der Aufarbeitung von Schwarz-Blau I", so Kogler, mit Blick auch auf den daneben sitzenden Innenminister Wolfgang Peschorn, der in seiner Funktion als Präsident der Finanzprokurator monatelang mit Eurofighter & Co. befasst war. An einem U-Ausschuss führt für Kogler kein Weg vorbei, auch nicht an verstärkten Prüfrechten für den Rechnungshof.

Beate Meinl-Reisinger (Neos) sieht ein Schlamassel immer dann, wenn ein Staat wirtschaftlich tätig wird und "zum Spielball der Interessen anderer", zu einem "Selbstbedienungsladen" werde. Unter Türkis-Blau sei es regelrecht um "Postenbesetzungs-Pakete" gegangen, in vielen Bereichen, und ihr könne keiner einreden, dass die Spitze von nichts gewusst habe, die Vorgänge bei den Casinos Austria nicht zumindest billigend zur Kenntnis genommen hätten. "Es ist kein blauer Skandal, sondern ein türkis-blauer." Es brauche endlich ein Antikorruptions-Paket.

Sidlo, Strache, Löger & Co.

Die Novomatic hält 17 Prozent an den Casinos Austria und ist damit hinter der tschechischen Sazka-Gruppe (38 Prozent) und der Republik (33 Prozent) drittgrößter Aktionär des teilstaatlichen Konzerns.

Im Zentrum der Ermittlungen stehen neben dem früheren FP-Bezirkspolitiker Peter Sidlo, der mit Hilfe der Novomatic zum Casinos-Finanzvorstand bestellt wurde, auch Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ), der frühere Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP), dessen früherer Kabinettchef und nunmehrige ÖBAG-Chef Thomas Schmid sowie Novomatic-Eigentümer Johann Graf und Vorstandschef Harald Neumann. Ermittelt wird wegen Bestechung sowie gegen die Casinos-Aufsichtsräte Josef Pröll und Walter Rothensteiner wegen Untreue. Alle Beteiligten wiesen die Vorwürfe bisher zurück.