ÖVP, SPÖ, FPÖ, NEOS und Grüne werden laut den Umfragen dem nächsten Nationalrat angehören. Die Liste JETZT muss mit dem Abschied nach nur zwei Jahren rechnen. Schon wieder gewählt werden muss, weil Türkis-Blau an "Ibizagate" zerbrach und die ÖVP die Wahl ausrief.

Obwohl die Legislaturperiode eine der kürzesten der Zweiten Republik ist, werden die meisten Parteien von neuen Spitzenkandidaten in die Wahl geführt. Nur Sebastian Kurz (ÖVP) und Peter Pilz (JETZT) waren schon 2017 Listenerste. SPÖ, Grüne und NEOS haben neue Parteichefs gekürt, auch die FPÖ musste dies angesichts des Ibiza-Videos tun. Die KPÖ hat ebenfalls einen neuen Spitzenkandidaten, "Wandel" ist erstmals bundesweit dabei.

Die ÖVP

Wieder Platz 1 für "DIE NEUE VOLKSPARTEI" (ÖVP) will Sebastian Kurz (33) bei der von ihm ausgerufenen Neuwahl - und seine durch den Misstrauensantrag nach "Ibizagate" jäh unterbrochene Karriere als jüngster Bundeskanzler fortsetzen. Noch nicht verraten hat er, ob er weiter mit der FPÖ (wenn dann nur ohne Herbert Kickl, sagt er) oder in anderer Konstellation regieren will. Jedenfalls ist Wahlziel Nummer 2, "dass es keine Koalition gegen uns gibt". Wie es aussieht, wird beides in Erfüllung gehen: Die ÖVP war in den Umfragen durchgehend unangefochten Erste, wenngleich ihre Werte seit den 38 Prozent im Frühjahr kontinuierlich auf zuletzt 33 bis 34 Prozent zurückgingen. Damit geht sich keine halbwegs realistische Koalition ohne sie aus.

Kurz' türkiser Erfolgsweg dürfte sich also verlängern. Übernommen hat er die damals noch schwarze ÖVP erst 2017, am historischen Tiefststand von 23,99 Prozent aus der Wahl 2013. Wie es die Umfragen erwarten ließen, endete mit dem neuen Chef die Durststrecke. Kurz kündigte der SPÖ die Treue auf, rief die Neuwahl aus - und am 15. Oktober wurde die ÖVP mit einem Plus von 7,5 Prozentpunkten auf 31,5 Prozent Erste. Bleibt sie das, ist es das erste Mal seit 1966, dass die Volkspartei zum zweiten Mal hintereinander vor den Sozialdemokraten durchs Ziel geht. Nicht einstellen dürfte Kurz jedoch den Rekord des letzten ÖVP-Kanzlers vor ihm, Wolfgang Schüssel: Dieser schaffte 2002 - in einer ebenfalls wegen Turbulenzen des blauen Partners ausgerufenen Neuwahl - das Sensationsplus von 15,40 Punkten auf 42,30 Prozent. Mit höchster Wahrscheinlichkeit bleibt die ÖVP aber das, was sie durchgehend seit Anfang 1987 ist: Regierungspartei. In der Zweiten Republik war sie insgesamt fast 57 Jahre lang an der Macht. In zehn Perioden (1945-1970, 2000-2006 und 2017-2019) gab es - für fast 33 Jahre - fünf schwarze und einen türkisen Kanzler.

Die SPÖ

Der SOZIALDEMOKRATISCHEN PARTEI ÖSTERREICHS (SPÖ) droht erstmals nach 53 Jahren zum zweiten Mal hintereinander Platz 2 - und wenn es ganz schlecht läuft sogar Platz 3. In die Wahl gehen die Roten erstmals mit einer Frau. Pamela Rendi-Wagner (48) sprang ein, als der 2017 gescheiterte Kanzler Christian Kern 2018 die Parteiführung doch hinschmiss. Ihm war zwar das erste leichte Plus (0,04 Prozentpunkte) seit langem gelungen, aber 26.86 Prozent reichten bei weitem nicht, um Platz 1 zu verteidigen. Da ÖVP-Chef Kurz die Große Koalition nicht fortsetzen wollte, geht die SPÖ jetzt aus der Opposition in die Wahl. Das war zuletzt 2006 der Fall - aber damals mit einem sehr viel besseren Ergebnis (Platz 1), als es die SPÖ jetzt erhoffen kann. Nach den Umfragen droht ein Minus, bester Umfragewert seit Ausrufung der Wahl waren 23 Prozent. Das wäre noch ein gutes Stück unter dem bisherigen historischen Tiefstwert von 26,82 Prozent im Jahr 2013.

Rendi-Wagner zog dennoch mit großem Kampfgeist und unerschütterlicher Zuversicht durch den Wahlkampf. Permanent demonstrierte sie die Überzeugung, "das Ruder herumreißen" zu können, als Wahlziel gab sie von Anfang bis Schluss "stärkste Partei" aus. Der Frage nach einer Koalition mit der ÖVP wich sie lange aus. Schließlich erklärte sie eine solche doch für vorstellbar - um zu verhindern, "dass die Rechten noch einmal an den Hebeln der Macht sitzen". Folgerichtig schließt sie auch eine Koalition mit der FPÖ dezidiert aus. Allzu groß ist die Chance der SPÖ auf eine Rückkehr in die Regierung jedoch nicht. Kurz zeigt nach wie vor keine große Sympathie für Schwarz-Rot. Und die SPÖ kann laut den Umfragen weder auf eine rot-blaue noch auf eine rot-grüne, ja nicht einmal auf eine rot-grün-pinke Mehrheit hoffen. Dabei war sie die längste Zeit Regierungspartei - 61 Jahre seit 1945. Von 1970 bis 2017 stellte sie - unterbrochen nur durch Schwarz-Blau 2000 bis 2006 - den Kanzler. Aber auch zuzulegen ist für die SPÖ die Ausnahme: Seit 1979, wo Bruno Kreisky den Spitzenwert von 51,03 Prozent holte, gab es nur zweimal (1995 und 2002) ein deutliches und 2017 ein schmales Plus. In Summe hat sich die SPÖ seit damals fast halbiert auf zuletzt 26,86 Prozent.

Die FPÖ

Für die FREIHEITLICHE PARTEI ÖSTERREICHS (FPÖ) geht es bei der Wahl darum, wieder auf die Beine zu kommen - nachdem sie mit "Ibizagate" aus allen Wolken fiel. Denn die Neuauflage der Koalition mit der ÖVP lief aus blauer Sicht prächtig, ganz ohne die internen Spannungen, die ihr 2000 bis 2006 eine Wahldesaster nach dem anderen beschert hatten. Höchst unvermutet kam diesmal das Ende von oben - als im Mai das Video bekannt wurde, in dem Parteichef Heinz-Christian Strache (kurz bevor er 2017 Vizekanzler wurde) vor einer vermeintlichen russischen Oligarchin von Staatsaufträgen gegen Spenden und der Übernahme von Medien schwärmt. Er musste sofort zurücktreten - und die FPÖ hätte ohne ihn weitergemacht, aber nicht ohne Herbert Kickl. Die ÖVP-Forderung nach Verzicht auf den Innenminister beendete die Harmonie: Die FPÖ sprach gemeinsam mit SPÖ und JETZT der ÖVP-Regierungsriege das Misstrauen aus.

Dennoch will Strache-Nachfolger Norbert Hofer (48) unbedingt wieder mit der ÖVP zusammengehen. Im Weg stehen könnte jedoch wieder Kickl: Kurz will nicht mehr mit ihm, Teile der FPÖ aber nicht ohne ihn. Vom Wahlergebnis her dürfte es sich ausgehen: Die FPÖ wird zwar ihre 25,97 Prozent aus 2017 möglicherweise nicht halten können. Aber sie dürfte bei weitem nicht ein solches Desaster erleiden wie 2002, wo sie um 16,91 Punkte auf 10,01 Prozent zusammenbrach. Mit rund 20 Prozent, auf denen die FPÖ in den Umfragen steht, wäre die türkis-blaue Mehrheit gesichert - und eventuell reicht es auch für den zweiten Platz. 2017 war die FPÖ der SPÖ - mit nur mehr 0,89 Prozentpunkten Abstand - schon nah wie nie zuvor gekommen. Einmal war sie schon - ganz knapp - Zweite: 1999 verwies Jörg Haider mit seinem Topwert von 26,9 Prozent die ÖVP auf Platz 3 - überließ ihr aber dennoch den Kanzler für die erste schwarz-blaue Koalition. Diese hielt bis zur Abspaltung des BZÖ mehr als fünf Jahre. In Summe war die FPÖ (samt Rot-Blau in den 80ern) bisher länger als zehn Jahre in der Regierung.

Die Neos

Die "NEOS - DAS NEUE ÖSTERREICH" müssen bei dieser Wahl zeigen, dass sie auch ohne Parteigründer Matthias Strolz überlebensfähig sind. Große Sorgen muss sich Nachfolgerin Beate Meinl-Reisinger aber nicht machen - sehen die Umfragen die Pinken doch bei acht bis neun Prozent. Erst 2012 formiert, haben sie sich ziemlich flott etabliert: 2013 zogen sie mit 4,96 Prozent in den Nationalrat ein, 2017 hielten sie sich mit 5,30 Prozent, auch im EU-Parlament klappte es auf Anhieb. Mittlerweile sind sie in fünf Landtagen (Wien, Vorarlberg, Niederösterreich, Salzburg und Tirol) vertreten - und noch keine sechs Jahre alt zogen NEOS 2018 schon in die Salzburger Landesregierung ein.

Aber es gab auch so manchen Dämpfer: Im Burgenland, der Steiermark, Oberösterreich und Kärnten scheiterten sie bei ihrer ersten Wahl. Und das Wachstum blieb unter ihren Erwartungen: Strolz hatte schon für die Nationalratswahl 2017 die Zweistelligkeit als Ziel ausgegeben. Aber die NEOS legten gerade einmal um 0,34 Punkte zu; bei der heurigen EU-Wahl war das Plus (mit 0,30 auf 8,14 Prozent) noch etwas schmäler. Für den September wird ihnen in den Umfragen zwar mehr verheißen - aber die wieder erstarkenden Grünen könnten ihnen einen guten Teil vom Kuchen wegschnappen. Einer Regierungsbeteiligung stehen die Pinken offen gegenüber - aber auch für sie wird sich diese Möglichkeit wohl nur als Teil eines Dreier-Pakts ergeben, wenn aus Türkis-Blau nichts wird.

Die Grünen

Für DIE GRÜNEN ist die Neuwahl die Bühne für das große Comeback - und dies viel früher als sie dachten. So verzichtete Parteichef Werner Kogler denn auch auf seinen soeben - mit überraschend guten 14,08 Prozent - errungenen Sitz im Europaparlament und führt den Kampf um den Wiedereinzug in den Nationalrat an. Aus diesem flogen die Grünen 2017 - nach parteiinternen Querelen, dem Rückzug Eva Glawischnigs und mit starker Konkurrenz durch die Liste PILZ. Sie brachen um 8,62 Prozentpunkte ein und verpassten mit 3,80 Prozent die Vier-Prozent-Hürde - die sie seit 1986 immer genommen hatten. Das Doppelduo Ingrid Felipe und Ulrike Lunacek trat ab, altgediente Mitstreiter gingen zu Pilz - und Kogler verwaltete den Rest.

Schon bei den Landtagswahlen 2018 zeigte sich jedoch, dass die Grünen nicht wirklich am Ende waren - und die EU-Wahl war dann ein deutliches Lebenszeichen. Das verdanken die "Ökos" zum guten Teil der Tatsache, dass Klimapolitik jetzt großes Thema ist. Sie können davon ausgehen, mit einem ähnlichen Ergebnis wie 2013 - da gelang das bisher beste Grün-Ergebnis von 12,42 Prozent und 24 Mandaten - wieder in den Nationalrat zurückzukehren. Auch in Regierungsszenarien kommen sie schon wieder vor - zumindest für den Fall, dass aus Türkis-Blau nichts wird. Große Begeisterung hat Kogler dafür jedoch bisher nicht gezeigt. Dabei gibt es auf Landesebene viele Vorreiter - sogar für Dreier-Kombinationen, etwa in Salzburg, wo Grün mit ÖVP und NEOS zusammen regiert. Auch in Tirol und Vorarlberg (mit der ÖVP) und in Wien (mit der SPÖ) sind die Grünen kleiner Koalitionspartner.

Liste Jetzt

Die Liste JETZT muss ein frühes Ende durch die um drei Jahre vorverlegte Wahl befürchten. Seit Mai kam Peter Pilz' Partei in den aller meisten Umfragen über die zwei Prozent nicht mehr hinaus. Dabei hatte es überraschend gut begonnen für die Abspalter rund um den von den Grünen enttäuschten Langzeit-Parlamentarier. Während seine Ex-Partei rausflog, zog Pilz' neue Liste mit 4,41 Prozent in den Nationalrat ein.

Dort startet sie jedoch höchst holprig: Gleich nach der Wahl wurden gegen Pilz Anschuldigungen bezüglich sexueller Belästigung bekannt, er zog sich zurück - und sowohl der Parlamentsstart ohne ihn als dann auch seine Rückkehr gingen nicht ohne Krämpfe ab. Als es endlich doch zu laufen begann, stürzte die Wahlankündigung die Liste in neue Turbulenzen: Von sieben Abgeordneten blieb bloß eine an Pilz' Seite - und die Kandidatur konnte nur durch die Unterschrift des "wilden" Abgeordneten Efgani Dönmez gesichert werden. Nichtsdestotrotz gibt sich Spitzenkandidat Pilz überzeugt, das Ruder herumreißen zu können - und zeigt auch im Wahlkampf vor allem das Bild des Aufdeckers und Korruptionsjägers, für das ihn 2017 viele gewählt hatten.

KPÖ, "Wandel" und weitere Parteien

Ebenfalls österreichweit am Stimmzettel stehen werden (wie immer) die KPÖ und (erstmals) die ebenfalls links-progressive Partei "Wandel". Beide Spitzenkandidaten - Ivo Hajnal (KPÖ) und Fayad Mulla (WANDL) - nennen natürlich den Einzug in den Nationalrat als ihr Wahlziel. Dafür müssten sie jeweils vier Prozent schaffen - und die Umfragen weisen für alle "Sonstigen" zusammen zwei Prozent aus. Aber immerhin können beide darauf hoffen, mehr als ein Prozent zu holen. Dann bekommen sie eine kleines Stück vom Kuchen der Parteienförderung - nämlich eine Einmalzahlung von 2,50 Euro für jede Stimme. 2017 verpasste die KPÖ mit 0,78 Prozent allerdings auch diese Marke.

So gut wie keine Aussicht auch nur auf ein Prozent haben die fünf Parteien, die nur in einzelnen Bundesländern antreten: Die Christliche Partei Österreichs (CPÖ) im Burgenland, "Allianz der Patrioten" (BZÖ) in Kärnten, die Sozialistische LinksPartei (SLP) in Oberösterreich, "Jede Stimme GILT" in Tirol und Vorarlberg sowie die Bierpartei (BIER) in Wien.