In Ihre neue Sektion V fällt von der Asylversorgung bis zur Staatsbürgerschaft alles, was mit Migration zu tun hat. Warum hat es die Schaffung einer solchen Megasektion gebraucht?

Peter Webinger: Bei einer so komplexen Materie ist es wichtig, Dinge, die miteinander verbunden sind, organisatorisch zusammenzuführen. Die Sektion besteht aus drei Bereichen: legale Migration, Grenzschutz und Fremdenpolizei sowie Asyl, Versorgung und Rückkehr. Wenn zum Beispiel jemand legal ins Land kommt, zu lange bleibt und dann einen Asylantrag stellt, wandert der Fall schlicht von einer Gruppe in die andere. Bisher waren zwei eigene Organisationseinheiten unter je anderer Führung zuständig. Vom Wegfall von Schnittstellen erhoffen wir uns Zeitersparnis und weniger Reibungsverluste. Zudem sind wir auch international extrem gefordert. Wer glaubt, Migration allein mit heimischer Politik bewältigen zu können, hat das Thema nicht verstanden. Deshalb wird es einen starken internationalen Bezug geben.

Auch die neue Bundesagentur, die künftig die Versorgung und Rechtsberatung von Flüchtlingen übernehmen soll, fällt in Ihre Sektion. Arbeiten NGOs, die aktuell zuständig sind, so schlampig?

Es geht darum, Betroffenen eine objektive Beratung und realistische Einschätzung ihres Verfahrens zu bieten. So wollen wir positiv auf die Verfahrensdauer einwirken. Denn es ist etwas anderes, ob alles aus einer Hand kommt oder ich jeden Bereich mit Externen koordiniere. Das ist eine Frage der Effizienz.

Die „realistische Einschätzung“, von der Sie sprechen: Wird die Agentur abgelehnten Asylwerbern seltener zur Anfechtung raten?

Nein. Die individuelle Situation ist so aufzuzeigen, wie sie ist. Wir sind auch gesetzlich zu einer unabhängigen Rechtsberatung verpflichtet – ohne Interessen im Hintergrund.

Caritas und Co. fürchten um die Rechtssicherheit für Asylwerber.

Ja, ich lese die Aussendungen. Ich hätte mir gewünscht, dass man ein Gespräch führt und die ausgestreckte Hand ergreift. Wir bleiben dran und werden das Gespräch weiter suchen.

Die NGOs verweisen regelmäßig auf die „Fehlerquote“ im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl. Ein signifikanter Teil der Asylbescheide wird vom Bundesverwaltungsgericht revidiert. Wie erklären Sie sich diese Quote?

Man kann immer besser werden. Es hat aber keinen Sinn, wenn sich Instanzen gegenseitig Schuld zuschieben. Im Asylbereich wird zudem über die Glaubwürdigkeit von Fluchtursachen aus weit entfernten Ländern entschieden, in denen sich die Lage stets ändert. Zwei Drittel aller erstinstanzlichen Entscheidungen werden vom Gericht bestätigt. Im europäischen Vergleich liegen wir damit gut. Der Instanzenzug gehört zu den Garanten des Rechtsstaates. Und ich bin froh, dass die Behörden und Gerichte entscheiden.

Und nicht die NGOs?
Ja, der Rechtsstaat ist hier in guten Händen.

Doch dieser Instanzenzug dauert oft lange für die Betroffenen. Die Regierung hat schnellere Verfahren versprochen. Wie?
Ich kann nicht einerseits die Rechtssicherheit im Land loben und diese gleichzeitig als Teil des Problems sehen. Wir konnten die Verfahrensdauer bereits deutlich verkürzen. Ist ein Asylbescheid aber letztinstanzlich negativ entschieden, müssen wir über die Außerlandesbringungen nachdenken.

Diese scheitert oft an fehlenden Dokumenten oder Abkommen. Was schwebt Ihnen hier vor?
Wir konnten die zwangsweisen Außerlandesbringungen im letzten Jahr um rund 50 Prozent steigern, die Kooperation funktioniert also deutlich besser. Aber man muss immer die individuelle Situation sehen. Es geht um Menschen, die nach Europa kommen und denen Hoffnung gemacht wurde. Mit Reintegrationsprogrammen wird oft eine gesichtswahrende Rückkehr ermöglicht. Zum anderen sind wir in engem Austausch mit vielen Herkunftsländern, um benötigte Papiere zu bekommen. Migration ist auch Kommunikation.

Österreich muss also nationale Maßnahmen setzen, weil es bis heute kein gesamteuropäisches Asylsystem gibt. Ärgert Sie das?
Für ein erfolgreiches europäisches Asylsystem braucht man motivierte Mitgliedsstaaten. Was wir in Österreich tun, hat Auswirkungen. Aber es muss eine globale Migrationsstrategie geben. Aktuell haben wir ein System, das die Menschen zu Schleppern und auf Boote lockt. Tausende ertrinken oder werden missbraucht. Es kann doch nicht sein, dass wir in Zeiten der Globalisierung ein Schutzsystem mit solchen Begleiterscheinungen haben. Da werde ich richtig emotional. Ein Lichtblick ist Frontex. Bei Grenzschutz und Rückkehr arbeiten die Mitgliedsländer zusammen.

Wie lautet Ihre Migrationsprognose für das Jahr 2019, vor allem für jene nach Österreich?
Wir sind alle begnadete Ex-Post-Prognostiker – im Nachhinein haben wir’s immer schon g’wusst. Aber auch die Bewegung 2015 war in dem Ausmaß nicht vorherzusehen. Es gab mehrere Auslöser und keine ausreichenden Maßnahmen. Aufgrund von Krisenherden und Bevölkerungsentwicklung ist das Potenzial für eine erneute Fluchtbewegung aber riesig.