Die Würfel sind gefallen. Heute um neun Uhr früh trat das SPÖ-Präsidium zu einer Sondersitzung im Wiener Rathaus zusammen. Es wird formalisiert, was sich im Laufe des Freitag nachmittags  herauskristallisiert hatte: Pamela Rendi-Wagner tritt die Nachfolge von Christian Kern als SPÖ-Chefin an. Gegen 10.30 Uhr tritt Kern mit seiner Nachfolgerin vor die Presse. 

Die Auserwählte sprach vor der Sitzung von einer "großen Ehre". Ob sie personelle Änderungen in der Partei plant ließ sie offen. Es seien turbulente Tage, die die Partei zuletzt erlebt habe. Umso wichtiger sei es gewesen, rasch und gemeinsam die Frage des Parteivorsitzes zu klären.

Weiteres will die künftige Chefin erst nach ihrer Bestätigung durch den Parteivorstand Dienstnachmittag sagen. Nach der endgültigen Absage von Hans Peter Doskozil, Peter Kaiser, Wolfgang Katzian und Doris Bures wird nun also die ehemalige Gesundheitsministerin als erste Frau an die Spitze der ehrwürdigen sozialdemokratischen Partei berufen. Rendi-Wagner ist gebürtige Wienerin, 47 Jahre alt, ausgebildete Tropenmedizinerin und erst seit eineinhalb Jahren SPÖ-Mitglied.

Im Laufe des Freitagnachmittags hatten sich kaskadeanartig alle Landesorganisationen hinter die Ex-Ministerin gestellt, den Anfang machten die Burgenländer, gefolgt von den Niederösterreichern, den Salzburgern bis hin zur mächtigen Wiener SPÖ. Den Schlusspunkt setzte die Fraktion Sozialistischer Gewerkschafter (FSG) im ÖGB.

Als erster SPÖ-Spitzenpolitiker deutete der Steirer Michael Schickhofer im Gespräch mit der Kleinen Zeitung an, dass die Entscheidung gefallen ist: "Sie ist eine hervorragende und höchst kompetente Kandidatin, sie hat daher meine volle Unterstützung. Sie ist ein klarer Gegenpol zu Kurz und Strache. Außerdem will sie an der eingeleiteten Öffnung der Sozialdemokratie festhalten."

Die Idee einer Doppelspitze wurde offenbar verworfen, Bundesgeschäftsführer dürfte Max Lercher bleiben.

Offenbar konnten die ursprünglichen Vorbehalte gegen die Ex-Ministerin ausgeräumt werden. Zahllose SPÖ-Granden äußerten sich nach dem überraschenden Abgang von Christian Kern zunächst äußerst skeptisch über eine etwaige Kür. Rendi-Wagner wurde erst nach dem Eintritt in die Regierung SPÖ-Mitglied, verfügt also nicht über die nötige institutionelle rote Erdung.

Ludwig auffallend zurückhaltend

Auffallend zurückhaltend äußerte sich Wiens Bürgermeister Michael Ludwig in der ZiB 2 über die Personalie. Ludwig verwies darauf, dass Rendi-Wagner ein Team um sich scharen werde. "Sie hat natürlich das Recht, Vorschläge zu machen, sie trägt aber auch die Verantwortung dafür." Eine leidenschaftliche vorbehaltlose Unterstützung sieht anders aus.

Eine Warnung kam denn auch von Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl. Sie appellierte an die Partei, sich nicht nur heute hinter die neue Vorsitzende zu stellen, sondern auch in Zukunft geschlossen hinter ihr zu stehen.

Der geschäftsführende Klubobmann Andreas Schieder bedauerte, dass durch die rasche Entscheidung die Diskussion über diese Personalie sehr kurz verlaufen sei. Spekuliert wird, dass sich Rendi-Wagner einen anderen geschäftsführenden Klubobmann suchen könnte. Dies ginge aber nur, wenn Schieder mitspielt, da er von seiner Fraktion demokratisch legitimiert wurde.