Pro: Infrastrukturminister Norbert Hofer

Wir bauen Autobahnen und nicht „Langsamstraßen“.Das derzeitige Tempolimit wurde vor 44 Jahren unter völlig anderen Voraussetzungen erlassen. Es ist höchste Zeit für eine testweise Erhöhung mit Augenmaß.

Es ist 44 Jahre her, dass von der Politik die erlaubte Höchstgeschwindigkeit auf den österreichischen Autobahnen mit 130 Stundenkilometern festgelegt wurde. Die damals neuen Autos waren technisch oftmals nicht in der Lage, dieses Tempo zu erreichen.
Ein zwischen 1970 und 1975 produzierter VW Käfer, zu dieser Zeit ein Mittelklasse-Wagen, erreichte je nach Motorisierung Höchstgeschwindigkeiten zwischen 116 km/h und 135 km/h. Der Verbrauch lag dabei jenseits von zehn Litern Benzin auf einhundert Kilometern.

Aber nicht nur die Autos, auch die Autobahnen haben sich in den letzten 44 Jahren deutlich verbessert. Modernste Leiteinrichtungen, griffige Fahrbahnen, Überkopfanzeigen und Tunnel-Sicherheitseinrichtungen auf dem neuesten Stand der Technik sind heute eine Selbstverständlichkeit. Fahrassistenzsysteme (ABS, Spurhalteassistent etc.) und Sicherheitseinrichtungen wie Airbags, Notbremsassistent und vieles mehr sind in den Autos von heute Serienausstattung – damals waren Dreipunkt-Automatikgurte oder Scheibenbremsen mit Bremskraftverstärker Features, die in den Prospekten der Autobauer extra bejubelt wurden.

Im Jahr 1974 kamen in Österreich 2.500 Menschen bei Autounfällen ums Leben – für das Jahr 2017 wurde mit 413 Todesopfern ein historischer Tiefstand ausgewiesen. Unfallursache Nummer eins auf Autobahnen und Schnellstraßen ist Ablenkung. 19 Menschen sind dort durch den Blick aufs Handy oder andere Ablenkungen im Vorjahr ums Leben gekommen.
Nach 44 Jahren Tempo 130 beginnt am kommenden Mittwoch auf zwei Abschnitten der A 1 Westautobahn der Pilotversuch für Tempo 140. Mein Ziel ist es, auf den gut ausgebauten Autobahnen mit modernen und sicheren Fahrzeugen rascher ans Ziel zu kommen.

Die beiden Testabschnitte wurden von Experten nach den Kriterien der Verkehrssicherheit ausgewählt. Die Strecken haben wenig Kurven, kaum Gefälle und bieten ausreichende Sichtweiten, um hier den Autofahrern tagsüber von 5:00 bis 22:00 Uhr testweise 140 Stundenkilometer zu erlauben. Ein Jahr lang werden nun alle Parameter wie tatsächlich gefahrene Geschwindigkeiten, Lärm- und Schadstoffwerte gemessen, um danach entscheiden zu können, ob Tempo 140 auf andere Autobahnabschnitte ausgeweitet wird oder nicht.

Contra: Markus Gansterer, VCÖ-Verkehrsexperte

Die Gesetze der Physik gelten für alle. Der minimalen Zeitersparnis durch die Erhöhung des Tempolimits stehen überwiegende negative Auswirkungen gegenüber: Die Sicherheit leidet – ebenso wie Österreichs Klimaziele.

Die Westautobahn wird nun zur Versuchsstrecke: Zwischen Melk und Oed sowie zwischen Haid und Sattledt wird das Tempolimit von 130 auf 140 km/h erhöht. Einige Autofahrer aus dem In- und Ausland werden sich über Tempo 140 freuen. Aber sicher nicht alle. Denn einem minimalen theoretischen Zeitgewinn von rund 20 Sekunden pro 10 Kilometer stehen viele negative Auswirkungen gegenüber.
Mit dem Tempo werden Reaktionsweg und Bremsweg länger, das Risiko eines Unfalls steigt, der Zusammenstoß erfolgt dann mit höherem Tempo. Die Gesetze der Physik gelten für alle.

Beide Test-Abschnitte weisen zudem starken Lkw-Verkehr auf, hier sind viel mehr Lastwagen unterwegs als am Brenner. Die A 1 bei Haid ist sogar jener Abschnitt, wo österreichweit die meisten Lkw fahren. Lkw werden auch in Zukunft andere Lkw überholen. Es ist zu befürchten, dass Autofahrer, die Lkw langsamer als mit 140 km/h überholen, in Zukunft häufiger von Dränglern in gefährliche Situationen gebracht werden.
Wer meint, schon heute fahren viele 140 km/h, verkennt, dass bei Tempolimit 140 dann viele 150 km/h oder noch schneller fahren werden. Denn die Toleranz bei Tempokontrollen ist in Österreich hoch, deutlich höher als in der Schweiz, wo die Toleranz maximal 5 km/h beträgt – bei einem Tempolimit von 120 auf Autobahnen.

Neben dem Unfallrisiko nimmt auch der Ausstoß gesundheitsschädlicher Schadstoffe, wie Stickoxide und Feinstaub, zu. Auch der Spritverbrauch ist bei 140 km/h statt 130 km/h höher – laut Umweltbundesamt und TU-Graz um über zehn Prozent. Und mehr Spritverbrauch geht einher mit höheren CO2-Emissionen.

Damit steht Tempo 140 im Widerspruch zu den Zielen der Klimastrategie von Österreichs Bundesregierung. Bis zum Jahr 2030 hat der Verkehr seine klimaschädlichen CO2-Emissionen um ein Drittel zu verringern. Ein Ziel, das der VCÖ unterstützt. Denn wie wichtig es ist, Verkehr und Energieversorgung auf Klimakurs zu bringen, hat uns das heurige Jahr drastisch vor Augen geführt. Hitze und extreme Unwetter haben auch in Österreich große Schäden verursacht. Die Hagelversicherung beziffert die Schäden für die heimische Landwirtschaft mit vielen Millionen Euro. Fachleute sind sich einig: Es braucht mehr Tempo beim Klimaschutz – aber nicht auf der Autobahn.

Was den VCÖ und die Befürworter von Tempo 140 verbindet, ist die große Hoffnung, dass es auf den Teststrecken zu keinem schweren oder gar tödlichen Unfall kommt.