Innenminister Herbert Kickl (FPÖ), der stellvertretende Generaldirektor für öffentliche Sicherheit, Franz Lang, sowie Peter Gridling, Direktor des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), gaben heute ab 11.00 Uhr eine Pressekonferenz zum Thema "Weiterentwicklung des BVT". Es war das erste Mal, das Kickl und der von ihm suspendierte und mittlerweile wieder rehabilitierte Gridling gemeinsam in der Öffentlichkeit auftraten.

Der Innenminister kündigte eine Reform des Staats- und Verfassungsschutzes an, den Prozess werde Gridling leiten. Es gehe insbesondere um eine Entflechtung der Aufgaben von Staatsschutz und Bundeskriminalamt. Der Staatsschutz werde isch künftig um Vorfeldaufklärung und Prävention kümmern, das Bundeskriminalamt um die strafrechtliche Fallermittlung.

Innerhalb des BVT stünden die Verbesserung der internen Kontrolle, es Mitarbeiterschutzes, der Datensicherheit und des Eigenschutzes im Fokus. Mitte 2019 solle die Reform abgeschlossen sein. Die volle Leistungsfähigkeit des BVT während des zweiten Halbjahres 2018, der Zeit der EU-Präsidentschaft, sei gegeben.

Reform im BVT: Kickl legt Fokus auf Nachrichtendienst

Wie BVT-Chef Peter Gridling bei der Pressekonferenz betonte, ist bis Herbst eine Analyse-Phase vorgesehen. Daher sei bis dahin auch nicht klar, wie die künftige Struktur aussehen werde. Gridling bat von entsprechenden Spekulationen abzusehen, seien doch die Mitarbeiter des Amts ohnehin "stark verunsichert".

Ob Gridling auch nach der Behördenreform an der Spitze des BVT stehen wird, umschiffte Kickl mit dem Verweis, dass man die Strukturen ja noch nicht kenne. Klar sei aber, dass es in diesem wie in allen bisherigen Fällen keine Umfärbung geben werde.

"Angriff von innen als Stasi-Krimi"

Gleichzeitig veröffentlichte die Wiener Wochenzeitung "Falter" heute Dokumente aus dem BVT-Ermittlungsakt, die "die bisherigen Darstellungen durch das Justiz- und Innenministerium massiv in Frage stellen".

So beklagte ein IT-Beauftragter des BVT in einem Brief ans Justizministerium, er fühle sich seit der Razzia im BVT „wie in einem Stasi-Krimi“, die Justiz würde „mit Scheuklappen“ ermitteln, es finde „ein Angriff von Innen“ statt.

Er sei 27 Jahre im Dienst, aber so einen „RECHTStaat“ habe er noch nie erlebt. Es würden aufgrund haltloser Gerüchte Beamte und ihre Familien in ihren Rechten eingeschränkt. Der Brief ging zwei Wochen nach der Razzia direkt an Christian Pilnacek, den Generalsekretär des Justizministeriums.

Ein zweites E-Mail stammt von Franz K., ebenfalls Systemadministrator des BVT. Er entdeckte, dass die Justiz in der IT-Abteilung eine Backup-Festplatte des BVT-Servers samt den Daten ausländischer Dienste einpackte.

Sorge um sensible Daten

„Es tut mir leid, dass ich euch vor dem Wochenende noch eine schlechte Nachricht übermitteln muss“, schrieb K. an seine Vorgesetzten. Aber die Justiz habe etwa die Daten der „Zentrale Quellen Bewirtschaftung“ mitgenommen. Wer diese Liste besitzt, finde möglicherweise heraus von wem unser Nachrichtendienst seine Information bezieht.

Beschlagnahmt wurde laut "Falter" auch eine Kopie des „Netzwerks Neptun“ der Jahre 2013-2017. Das ist das Kommunikationsnetzwerk zwischen dem BVT und den internationalen Partnerdiensten. Wer diese Daten in Händen hält, verfügt damit auch über die sensiblen Informationen ausländischer Geheimdienste.

Die Staatsanwaltschaft bestätigt die FALTER-Recherchen: „Die Sichtung des Inhalts erfolgt derzeit. Sollte sich herausstellen, dass die genannten Daten für das Verfahren nicht relevant sind, werden diese Datenkopien selbstverständlich unwiderruflich gelöscht.“

"Dienstgeber will mir etwas anhängen"

Besonders eindringlich liest sich ein Mail, das Sibylle G., die Abteilungsleiterin im Referat für Rechtsextremismus an die Staatsanwaltschaft schrieb. „Ich habe mittlerweile die persönliche Situation, dass man mir seitens des Dienstgebers signalisiert, dass man mir etwas anhängen möchte (eventuell auch nur disziplinär), als gelinderes Mittel mir konkret die Pension nahelegt“.

"Hetzjagd, die ich als bedrohlich empfinde"

Sie würde gerne weiter gegen Rechtsextremisten ermitteln, aber „es ist leider so, dass ich in meinen dienstlichen Verantwortungen auch tatsächlich eingeschränkt werde und darüber hinaus auch von rechtsorientierten Vertretern und verurteilten Straftätern willkürlich angezeigt werde bzw. auch versucht wird, mich ungerechtfertigt öffentlich zu diskreditieren (…) nur weil ich – logischerweise nicht zu deren Freude – jahrelang meiner Aufgabenstellung beim Staatsschutz mit bestem Wissen und Gewissen nachgekommen bin“, zitiert der "Falter" aus dem Mail.  Es habe den Anschein, dass die Aktivitäten nun in „eine Hetzjagd“ ausarten, „die ich schon als bedrohlich empfinde“.

Die Staatsanwältin riet Sibylle G. laut "Falter", sich einen Anwalt zu nehmen.