Voltaggabana nennt man sie in Italien - die politischen Wendehälse. Dass man für diese Spezies der Politiker eine eigene Zuschreibung hat, ist kein Wunder. In der letzten Regierungszeit Silvio Berlusconis von 2008 bis 2011 wechselten 160 von 630 Abgeordneten das politische Hemd. Selbst in Italiens politischem Wirr-Warr-System ein Rekordwert.

Doch auch in Österreich sind Voltaggabana mittlerweile keine Seltenheit mehr. Jüngstes Beispiel ist der von den Neos zur ÖVP gewechselte Christoph Vavrik. Er ist nach Kathrin Nachbaur, Rouven Ertlschweiger und Georg Vetter, alle waren einst beim Team Stronach, übrigens schon der vierte Überläufer in Richtung ÖVP in dieser Legislaturperiode. Wäre Marcus Franz auch noch bei der ÖVP - er wechselte ebenso vom Team Stronach dorthin, war aber irgendwann sogar für Reinhold Lopatka untragbar - würde sie nun bei gleich vielen Abgeordneten halten, wie die SPÖ.

Wechselgründe werden selten genannt

Den Präzedenzfall für einen Parteiwechsel lieferten 1993 Heide Schmidt und Friedhelm Frischenschlager. Die beiden einstigen FPÖler wandten sich von der Partei ab und gründeten mit anderen das Liberale Forum. Allerdings nicht um ihre Mandate abzusichern, sondern weil sie eine Partei mit neuem politischen Profil etablieren wollten. Auch Karin Resetarits-Kraml, einst mit Hans-Peter Martin ins EU-Parlament eingezogen, wandte sich während der Legislaturperiode von ihrer Fraktion ab und dem Liberalen Forum zu.

Auf einen richigen Regenbogen an Parteifarben kann Elisabeth Kaufmann-Bruckberger verweisen. Sie war einst bei der FPÖ, dann beim BZÖ, letztlich beim Team Stronach. Dort zerstritt sie sich nach ihrer Angelobung in Niederösterreich mit der Partei und blieb quasi parteifreie Landesrätin - bis sie wegen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen des Seen-Deals im Dunstkreis Jörg Haiderszurücktreten musste.

Von den Grünen zur ÖVP - auch das geht. Karlheinz Töchterle kandidierte in den 1990er Jahren in Tirol für die Grünen und wurde sogar in den Landtag gewählt, lehnte aber aus beruflichen Gründen ab. 2011 wurde er auf einem ÖVP-Ticket Wissenschaftsminister, heute sitzt er für die ÖVP im Nationalrat.

Karlheinz Töchterle
Karlheinz Töchterle © Eder

Als er 2003 der ÖVP den Wahlsieg brachte, freuten sich zahlreiche Mitglieder in der Volkspartei, dass Karl-Heinz Grasser von der FPÖ zu ihnen gewechselt ist. Mittlerweile gilt der ehemalige Finanzminister als schwarzer Fleck in der Geschichte der Schwarzen.

Rot-Grüne-Rochaden

Auch zwischen SPÖ und den Grünen gibt es Spurwechsler. Stefan Schennach war einst Grüner, nachdem er 2010 bei der Listenerstellung nicht berücksichtigt wurde, dockte er bei der SPÖ an. Bei Senol Akkılıç war es umgekehrt. Er war Grüner, wechselte zur SPÖ und blockierte damit eine Wahlrechtsreform in Wien.

Eine weitere Fußnote im aktuellen Nationalrat ist Jessi Lintl. Sie zog für das Team Stronach in den Nationalrat ein, schied 2015 aus der Fraktion aus und stieg vier Monate später bei der FPÖ ein. Auch Ursula Stenzel wagte den politischen Seitenwechsel. Weil die ÖVP sie nicht mehr als Bezirksvorsteherin im ersten Wiener Bezirk wollte, ließ sie sich von der FPÖ anwerben und ist seit Juni 2016 nicht amtsführende Stadträtin in Wien.