Leonore Gewessler ist erwartungsgemäß zur neuen Bundessprecherin der Grünen gewählt worden. Auf dem Parteitag in der Wiener Messe erzielte die ehemalige Klimaschutzministerin, die zuvor die Umwelt-NGO Global 2000 leitete, ein Ergebnis von 96,76 Prozent. Auf dem Bundeskongress wurde auch Werner Kogler verabschiedet, der allerdings als „kleiner“ Abgeordneter im Nationalrat bleibt.

Der Parteitag der Grünen begann mit einer höflichen Disziplinlosigkeit. Die Delegierten begrüßten einander ausführlich, setzten sich aber nicht. „Jetzt muss ich darauf bestehen, dass wir anfangen“, mahnte Nina Tomaselli von der Bühne aus. Nichts passiert, minutenlang. Es war eine unbeabsichtigte Reminiszenz an die bewegte Anfangsgeschichte der Grünen, die längst zu einer hochprofessionellen Partei geworden sind, bei der eine elfminütige Verspätung eine kleine Irritation auslöst.

Abschied von Kogler

Auch Werner Kogler ist so eine Reminiszenz. 1981 Gründungsmitglied der Alternativen Liste in Graz, Besetzer der Hainburger Au, vor 40 Jahren dann der Einzug in den Grazer Gemeinderat. Beim Auszug der Partei aus dem Nationalrat 2017 übernahm Kogler die Partei, führte sie danach zu Rekordergebnissen und in die erste Bundesregierung. An diesem Sonntag in der Wiener Messe endete diese Reise - mit elf Minuten Verspätung. An der Seite seiner Nachfolgerin zog Kogler ein letztes Mal an vorderster Front in einen Parteitag ein, und auch er begrüßte die Delegierten ausgiebig. Die Rede Gewesslers verzögerte sich weiter.

ABD0092_20250629 - WIEN - ÖSTERREICH: (v.l.) Ehem. Vizekanzler Werner Kogler (GRÜNE), Klimalandesrat Stefan Kaineder (GRÜNE) und Leonore Gewessler (GRÜNE) am Sonntag, 29. Juni 2025, anl. des 47. Bundeskongresses der Grünen in Wien. - FOTO: APA/TOBIAS STEINMAURER
Werner Kogler übergab die Partei an seine Nachfolgerin Leonore Gewessler © APA / Tobias Steinmaurer

Ihren Bundeskongress und damit natürlich auch die Staffelübergabe an die ehemalige Klimaschutzministerin stellte die Partei unter das Motto „Grün hält“. Gewessler steht auch für Kontinuität, sie war zuletzt auch Vizechefin von Kogler. „,Grün hält‘, ist kein Zufall. Das kommt aus einer tiefen Überzeugung. Wir reden nicht über Klimaschutz und in der Regierung vergessen wir das.“ Genau dies warf Gewessler den Sozialdemokraten vor. „Jahrelang hat uns die SPÖ erklärt, was wir sonst noch machen müssen. Und jetzt? Ein klimapolitischer Scheinriese.“

Die neue Grünen-Chefin will aber auch einiges ändern. „Wir brauchen ein stärkeres Zuhören. Das ist in den letzten Jahren zu kurz gekommen.“ Sie berichtete von Begegnungen von ihren Gasthausgesprächen in Österreich, darunter von einer jungen Lehrerin, die sich ihr kaum sagen traute, wie schwer der Beruf ist, wenn kein Kind in der Klasse Deutsch kann. „Die Menschen haben uns viel zu sagen und viel Gescheites. So weit sind wir oft nicht auseinander.“ Es dürfe nicht weiter der Eindruck der Besserwisserei bestehen, sagte Gewessler sinngemäß. „Lieber einmal mehr zuhören.“

Klimaschutz für alle

Die Grünen müssten Klimaschutz-Lösungen erarbeiten für all jene, „die das nicht allein stemmen können“, sagte Gewessler. Sie erwähnte dabei ihren Schwager, der „jeden Tag mit dem Auto zur Schicht fährt.“ Die neue Grünen-Chefin will „jeden Flug feiern, der nicht abhebt“, aber nicht einer Familie ihren Urlaubsflug vorwerfen. „Jeder, der einen Beitrag leisten will, ist bei uns willkommen.“

ABD0182_20250629 - WIEN - ÖSTERREICH: Die neu gewählte Parteichefin Leonore Gewessler (GRÜNE) und Natabg. Werner Kogler (GRÜNE) am Sonntag, 29. Juni 2025, anl. des 47. Bundeskongresses der Grünen in Wien. - FOTO: APA/TOBIAS STEINMAURER
Die grüne Sonnenbrille, Markenzeichen von Werner Kogler, wurde an die neue Parteichefin übergeben. © APA / Tobias Steinmaurer

Nach der Wahl der neuen Parteichefin wurde auch noch der alte verabschiedet. Werner Kogler ist es gelungen, die Partei mit einer denkbar guten Nachrede zu übergeben. Das ist der Politik nicht selbstverständlich. Der Abschiedsapplaus dauerte einige Minuten, seine anschließenden Abschiedsworte, wie nicht anders zu erwarten war, ein paar Minuten länger. Viele Minuten.