„Bei uns im Burgenland ist alles ein bisschen anders als im Bund“, hört man dieser Tage, wenn man mit jenen spricht, die im laufenden Wahlkampf aktiv sind. „Die Menschen hier mögen keine aggressive Auseinandersetzung mit Beschimpfungen, sondern politisches Wetteifern mit Zurückhaltung“, analysiert ausgerechnet ein Mitarbeiter des FPÖ-Teams um Spitzenkandidat Norbert Hofer. Wohl auch deshalb sind verbale Tiefschläge bislang ausgeblieben.
Eben dieses Bundesland, das erst seit etwas mehr als hundert Jahren Teil von Österreich ist, hat einen steilen Aufstieg hinter sich. Einst als „Armenhaus“ der Republik verschrien, belegt das Burgenland heute (mit Vorarlberg) den dritten Platz beim verfügbaren Einkommen der Einwohner. Das bevölkerungstechnisch kleinste Bundesland, in dem ein großer Teil für die Arbeit pendelt, profitierte besonders vom EU-Beitritt. Seit damals flossen rund drei Milliarden Euro Fördermittel ins Land, das heute vor allem mit Weinbau, Tourismus und Windkraft punktet. Der Neusiedlersee, das „Meer der Wiener“, ist ganzjährig beliebtes Ausflugsziel.
Alles zum See
„Der Doskozil kauft alles“
250.399 Burgenländerinnen und Burgenländer entscheiden am Sonntag, in welche Hände sie die Führung ihrer Heimat legen wollen. Sechs Parteien stehen zur Auswahl, Wahlschluss ist um 16 Uhr. Aktuell regiert dort SPÖ-Rebell Hans Peter Doskozil – und das mit absoluter Mehrheit, die er sich beim letzten Urnengang sichern konnte. Während er sich zum zweiten Mal für das höchste Amt im Bundesland bewirbt, wofür ihm gute Chancen eingeräumt werden, finden sich alle anderen Namen erstmals auf dem Stimmzettel. In Doskozils Team betont man, wie gut der Wahlkampf laufe. Man habe von Mindestlohn bis Pflegeoffensive viel erreicht, der Landeshauptmann, der dank diverser Kehlkopf-Operationen stimmlich stark angeschlagen ist, sei überall beliebt.
Einen freilich anderen Eindruck hat das blaue Team. Hofer, der seit seiner Antrittsankündigung durch Land und Ortschaft tingelt und wohl mit einem deutlichen Stimmengewinn für seine Partei rechnen kann, vernehme viel Unzufriedenheit. „An den Stammtischen hören wir immer wieder: Der Doskozil kauft alles.“ Gemeint sind damit unter anderem der rote Großeinkauf bei der Kellerei Szigeti, sowie der Erwerb eines Hochzeitsplanungsdienstes und einer ehemaligen Zuckerfabrik. Das ärgere die Leute, zeigt man sich in der FPÖ überzeugt.
„Zweite Wahl“ Burgenland?
Unzufriedenheit ortet man auch in den Reihen von ÖVP-Kandidat Christian Sagartz. „Mit seiner Absoluten hat Doskozil fundamental in das Leben der Burgenländer eingegriffen“, beklagt man dort. Angst, dass Sagartz zwischen Landeshauptmann und bundesweit bekanntem FPÖ-Chef untergeht, habe man nicht. „Der eine wollte SPÖ-Chef werden und der andere Bundespräsident – für beide ist das Burgenland also nur zweite Wahl.“
Vor der Wahl zittern müssen die Grünen. Ihnen droht laut Umfragen der Rauswurf aus dem Landtag, was eine Mehrheit für FPÖ und ÖVP ermöglichen könnte. Bemüht geben sich die Neos, die bereits zum dritten Mal den Einzug in den Landtag versuchen. Umfragen bescheinen den Pinken jedoch auch diesmal wenig Erfolg. Gleiches wird auch dem ehemaligen freiheitlichen und heute „wilden“ Abgeordneten Geza Molnar prophezeit, der diesmal ebenfalls auf dem Stimmzettel vertreten ist.
Im sonnigen Burgenland scheint die aktuelle Politik die Gemüter aber ohnehin kaum zu trüben. Laut einer Foresight/ISA-Befragung im Auftrag des ORF Burgenland zieht die Mehrheit im Land eine positive Bilanz über die Entwicklungen seit der letzten Landtagswahl 2020. Im Burgenland ist eben „alles ein bisschen anders“.