Die Einleitung eines EU-Defizitverfahrens entspricht einem „Nicht Genügend“ im Fach Budgetpolitik. Österreich droht ein solches Verfahren, weil wir heuer und 2025 die Defizitgrenze von drei Prozent deutlich überschreiten. Ein Sparkurs ist also unvermeidlich. Allerdings könnte dieser noch deutlich schmerzhafter ausfallen, wenn die EU kein Defizitverfahren einleiten sollte. Klingt paradox, ist aber wirklich so.
Im Falle eines Verfahrens wegen übermäßigen, also EU-widrigen Defizits – die Entscheidung dazu soll am 21. Jänner in Brüssel fallen, Österreichs Interims-Finanzminister Gunter Mayr will ein Defizitverfahren verhindern – geht es um einen Konsolidierungsbetrag von rund 15 Milliarden Euro bis 2028. Ohne Defizitverfahren – im sogenannten präventiven Arm des Stabilitätspaktes – müssten laut Budgetdienst rund 21 Milliarden Euro eingespart werden. Der präventive Arm soll sicherstellen, dass ein Mitgliedstaat die Fiskalregeln so erfüllt, dass ein Defizitverfahren erst gar nicht notwendig wird. Da jedoch in einem defizitbasierten Verfahren – ausgelöst durch das Defizitkriterium – die schuldenbasierte Schutzklausel bei der Ermittlung des Konsolidierungsbedarfs nicht berücksichtigt wird, ergibt sich rechnerisch ein geringerer Sanierungsbedarf als bei der Berechnung im Rahmen des präventiven Arms, bei dem die Schutzklausel sehr wohl berücksichtigt wird.
Also ja, im Fall eines EU-Verfahrens wäre der Sparbedarf in Summe geringer, eine Reaktion der Finanzmärkte ist hier jedoch nicht eingepreist. Für den Finanzwissenschaftler Peter Brandner wäre es klüger, trotzdem die nötigen fünf Milliarden Sparbedarf sofort zu realisieren, um das Defizit gleich für 2025 unter die Dreiprozent-Grenze zu drücken und für die Neuberechnung des weiteren Sparbedarfs dann im präventiven Arm eine bessere Ausgangslage zu haben.