Der frühere Verfassungsschützer Egisto Ott ist am Freitag unter Spionage-Verdacht in Kärnten festgenommen worden. Das bestätigte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Wien, Nina Bussek, der APA. Es geht um den Verdacht des Amtsmissbrauchs und der Spionagetätigkeit zum Nachteil Österreichs – und zugunsten Russlands. Laut „Standard“ soll er auch 2022 Handyinhalte österreichischer Spitzenbeamter des Innenministeriums an Moskau weitergegeben haben. Die Grünen schalten nun den Nationalen Sicherheitsrat ein, teilten sie am Freitag mit. Die Neos verlangten eine weitere Sitzung des Geheimdienstausschusses im Parlament.

Ott ist kein Unbekannter. Ausländische Partnerdienste hatten den früheren Geheimdienst der Republik, das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), das im Dezember 2021 von der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) abgelöst wurde, bereits Anfang 2017 auf aufklärungsbedürftige Missstände hingewiesen: Demnach würden aus dem BVT vertrauliche Informationen, die ausländische Quellen den heimischen Staatsschützern zum Zweck der Gefahrenerforschung und -abwehr überlassen hatten, an unberechtigte Stellen abfließen. Bei diesen Stellen soll es sich um russische Geheimdienste handeln.

In den Verdacht, der „Maulwurf“ zu sein, geriet Egisto Ott deshalb, weil er als Verbindungsmann in der Türkei Kontakt zum Nachrichtendienst Moskaus aufgebaut haben soll. Außerdem soll er ein streng vertrauliches Memo des BVT sowie eine Anfrage des FBI an die Nachrichtendienste des Kreml beziehungsweise an unbefugte Personen übergeben haben.

Kreml verfügt über Handydaten ehemaliger Spitzenbeamter

Eng zusammengearbeitet soll Ott mit dem flüchtigen Ex-Wirecard-Manager Jan Marsalek haben, der ebenfalls enge Verbindungen zur Szene der russischen Nachrichtendienste unterhalten soll. Ott und sein damaliger Vorgesetzter im BVT, der flüchtige Martin Weiss, sollen im Auftrag Marsaleks und zum Schaden der Republik für Moskau spioniert haben.

Bei den gestohlenen Smartphones handelt es sich um die Geräte von Michael Kloibmüller, der jahrelang Kabinettschef im Innenministerium war; von Michael Takacs, mittlerweile Bundespolizeidirektor; sowie von Gernot Maier, Direktor des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl. Diese Information soll Großbritannien, wo intensiv gegen Marsalek ermittelt wird, an Österreich weitergeleitet haben. Die drei Handys waren 2017 Opfer eines Unfalls geworden: Bei einem Ausflug des Innenministeriums war ein Kanu gekentert, die Smartphones fielen ins Wasser. Daraufhin wurde ein IT-Techniker des Verfassungsschutzes gebeten, die Diensthandys zu reparieren. Der fertigte offenbar Kopien der Geräte an und gab sie an Ott und andere weiter. Chats aus dem Smartphone von Kloibmüller gelangten auch an die Staatsanwaltschaft und an Medien. Sie führten wegen des Verdachts der Postenkorruption zu Ermittlungen gegen Kloibmüller und Ex-Innenminister Wolfgang Sobotka, wobei das Verfahren gegen Letzteren bereits eingestellt wurde.

Ein Sprecher des Innenministeriums wollte keinen Kommentar zum Umstand abgeben, dass Russland über hochsensible Daten des Ressorts verfügt, und verwies auf die ermittelnde Staatsanwaltschaft.

Entscheidung über U-Haft bis Sonntag

Laut der Staatsanwaltschaft Wien wurde mit Ott auch eine zweite Person festgenommen. Laut „Falter“ soll es sich dabei um dessen Ex-Schwiegersohn handeln. Gegenüber dem „Spiegel“ bestritt Ott die gegen ihn gerichteten Vorwürfe. Die Ermittler haben nun bis Ostersonntag Zeit, einen Antrag auf Verhängung der U-Haft zu stellen.

Peter Gridling, der ehemalige Leiter des BVT, hegte bereits lange einen Spionageverdacht gegenüber seinem ehemaligen Mitarbeiter Ott, der wiederum mit Anklagen und Beschuldigungen gegen seinen Vorgesetzten agierte. Zur aktuellen Entwicklung will er sich nicht äußern, nur soviel: „Die Zeugen und Ankläger von damals werden jetzt zu Beschuldigten.“ Dass Ott so lange agieren konnte, rechtfertigt Gridling gegenüber der Kleinen Zeitung mit der Notwendigkeit konkreter Beweise: „Ein Verdacht genügt nicht.“