Die "New York Times" berichtete unter Berufung auf die Dokumente, dass der Machtkampf in der russischen Führung weitreichender als bisher angenommen sei. Demnach beschuldigt der Inlandsgeheimdienst FSB das Militär, das Ausmaß der Opfer auf russischer Seite zu verschleiern, so die Zeitung am Donnerstag. Das Militär schrecke weiter davor zurück, schlechte Nachrichten in der Befehlskette nach oben zu übermitteln, heiße es in dem Dokument. Der FSB wiederum stelle in Diskussionen mit der russischen Regierung die Zahlen des Verteidigungsministeriums infrage.

Disput von Prigoschin und Schoigu

Zudem offenbarten die neuen Dokumente Details über einen öffentlich ausgetragenen Disput zwischen dem Chef der Wagner-Söldner, Jewgeni Prigoschin, und Verteidigungsminister Sergej Schoigu über angeblich vom Militär zurückgehaltene Munition für die Wagner-Truppe. Demnach soll Präsident Wladimir Putin persönlich versucht haben, den Streit zwischen beiden zu schlichten. Das Treffen soll am 22. Februar stattgefunden haben, heiße es in einem der Dokumente.

Russlands bestritt derweil Streitigkeiten seiner Sicherheitsorgane. "Ich weiß nicht, worauf sich solche Meldungen stützen, aber ich bin bereit, die Glaubwürdigkeit und das Verständnis des Autors dafür, was in Russland wirklich vorgeht, in Zweifel zu ziehen", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Donnerstag.

Putins Gesundheitszustand

Aus den Dokumenten lassen sich laut dem Militäranalysten und Garde-Kommandanten des Österreichischen Bundesheers, Markus Reisner, auch Hinweise auf "gesundheitliche Herausforderungen" Putins ablesen. Es gebe demnach bei der Fortführung der Offensive der Russen "interne Querelen". Generalstabschef Waleri Gerassimow versuche offensichtlich zu "sabotieren", berichtete Reisner am Donnerstag im Ö1-"Morgenjournal". Ein guter Zeitpunkt dafür sei, "wenn Putin seine Chemotherapie bekommt".

Reisner geht davon aus, dass die Dokumente inhaltlich weitgehend stimmen. Dies sei "eine fatale Situation für die USA". Aber die Auswirkungen seien weitreichender. Denn die Dokumente enthielten Hinweise, die die Situation der Ukraine "sehr prekär" darstelle. So habe die ukrainische Luftabwehr offensichtlich nicht ausreichend Flugkörper für ihre Fliegerabwehrsysteme zur Verfügung. Die Russen würden es zudem schaffen, den Einsatz von Präzisionsbomben, die die USA geliefert hätten, zu "stören" – und "offensichtlich" komme es auch beim Abwurf "zu Herausforderungen, die man kaum lösen kann. Und das kann ja auch unter Umständen kriegsentscheidend sein", so der Militäranalyst im Radiointerview.