Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ist am Donnerstagvormittag zu Beginn seines Besuches in Berlin mit dem deutschen Innenminister Horst Seehofer (CSU) zusammengetroffen. Seehofer hatte am Mittwoch angekündigt, die stationären Kontrollen an den deutschen Grenzen zu Tirol um weitere zwei Wochen zu verlängern. Nach dem Treffen meinte Kurz, Seehofer habe angekündigt, die Grenzkontrollen so schnell wie möglich abbauen zu wollen. Dies sei eine "sehr positive Perspektive", so Kurz.

Die Frage der Impfstoffverteilung sei kein Thema bei dem Gespräch mit Seehofer gewesen, erklärte Kurz. Das sei auch kein Thema bei seinen weiteren Gesprächen heute, da dies ein "europäisches und kein bilaterales Thema" sei, so Kurz. Die Öffnung der Grenzen werde jedenfalls deutlich früher stattfinden als die Einführung des "Grünen Passes" auf europäischer Ebene. Derzeit gebe es in Europa sehr uneinheitliche Reiseregeln, man verliere leider absolut den Überblick, welche Regelung gelte, betonte Kurz. "Der Grüne Pass ist die Chance für mehr Freiheit in Österreich, aber auch was die Reisefreiheit innerhalb Europas betrifft und dies bereits vor und vor allem während des Sommers", sagte der Bundeskanzler. Kontrollieren müsse man dann nicht mehr an der Grenze, so Kurz.

Kampf gegen südafrikanische Variante in Tirol sei sehr erfolgreich

Der Kampf gegen die südafrikanische Variante in Tirol sei sehr erfolgreich, betonte der Bundeskanzler weiters. So sei die Zahl der aktiven Fälle der südafrikanischen Variante von 200 auf 60 reduziert worden. Die Fakten würden also für Tirol sprechen, das habe auch Seehofer so gesehen, so Kurz. Die Verlängerung der deutschen Grenzkontrollen hatte für großen Unmut seitens der Tiroler Landespolitik gesorgt. Gerade dass der Grenzverkehr zwischen der französischen Region Moselle und dem deutschen Bundesland Saarland nicht durch strenge Kontrollen beeinträchtigt wird, obwohl der Südafrika-Anteil dort viermal so hoch ist wie in Tirol, stieß auf Unverständnis in Innsbruck und Wien. Tatsache sei, dass die Regelungen in Deutschland sehr unterschiedlich seien, konstatierte Kurz am Donnerstag.

Söder kritisierte immer wieder

Der bayrische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte in jüngster Zeit zwar öfters die österreichische Corona-Politik kritisiert, doch der Groll der Bayern wegen der Ischgl-Affäre, vor allem aber auch wegen der Pkw-Maut und der Tiroler Transitpolitik, sei in Österreich "unterschätzt" worden, zitierte die "Presse" am Donnerstag einen deutschen Regierungsvertreter. Bei dem Besuch von Kurz in Berlin im Februar 2020 galt die türkis-grüne Koalition in Wien in Deutschland noch als Vorbild, da eine ähnliche Konstellation nach der deutschen Bundestagswahl im Herbst durchaus als realistisch angesehen wird. Als sich Österreich während des deutschen EU-Ratsvorsitzes allerdings nicht an der Aufnahme von Flüchtlingen nach dem Brand im Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos beteiligte, zeigte sich Seehofer jedoch "enttäuscht".

Dennoch bemühten sich nun beide Seiten um ein gutes Verhältnis, gerade auch wegen der engen wirtschaftlichen Verbindungen. So sei Deutschland "unser wichtigster Nachbar und Partner sowie unser mit Abstand wichtigster Handelspartner." Die meisten Nächtigungen in Österreich seien von Touristen aus Deutschland, betonte Kurz am Donnerstag. Auch Seehofer zeigte sich um Deeskalation bemüht und erklärte vor dem Besuch von Kurz gegenüber der APA, er hoffe "die Kontrollen zu Österreich etwas früher beenden" zu können, "vielleicht sogar noch im Lauf des März".

Weitere Treffen  - jedoch nicht mit Merkel

Kurz traf außerdem mit dem deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier zusammen. Man habe etwa über Russland und Israel gesprochen, so Kurz im Anschluss. Ein Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel sei sich aus terminlichen Gründen nicht ausgegangen, sagte Kurz. Er sei aber ohnehin in einem guten Kontakt mit Merkel und diese sei sicher die Regierungschefin in der EU, mit der er am meisten Kontakt habe.

Die Frage der Impfstoffverteilung sei kein Thema bei seinen Gesprächen gewesen, da dies ein "europäisches und kein bilaterales Thema" sei, so Kurz. Er gehe jedenfalls davon aus, dass Deutschland einen Beschluss auf EU-Ebene nicht blockieren werde, so Kurz. Für die Impfung in Österreich rechne er mit mehreren Etappen und regionalen Abstufungen, so der Kanzler. Die Über-65-Jährigen sollten "wahrscheinlich bis Ende April geimpft sein". Das sei ein großer Schritt, weil das die Sterblichkeit und die Belastung der Intensivstationen massive reduziere. Anfang Juni sollten dann die Über-50-Jährigen drankommen und im Sommer der Rest der Bevölkerung, der wolle, denn Impfpflicht gebe es in Österreich ja bekanntlich keine, so Kurz.

Am Donnerstagabend hält Kurz dann die Laudatio für die BioNTech-Gründer Özlem Türeci und Ugur Sahin bei der Verleihung des "Axel-Springer Awards". Hierauf freue er sich besonders, so Kurz, "denn die Impfung ermöglicht uns die Rückkehr zur Normalität im Sommer". Vor dem Rückflug am Freitag in der Früh trifft der Kanzler auch noch den Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen und neuen CDU-Chef Armin Laschet.