Gut sieht es nicht aus für eine neue Brexit-Vereinbarung mit der EU. Seit die britische Regierung vorige Woche klargemacht hat, dass schon die bestehende Vereinbarung nichts mehr gilt, sind bedrohliche Wolken aufgezogen über der Irischen See und am Ärmelkanal.

Statt von gütlicher Einigung über künftige Handelsbeziehungen ist von Sanktionen, von Gegenwehr, gar von einem kommenden Handelskrieg die Rede.Premier Johnson werde sich „von keiner Drohung der EU mit Verhandlungs-Abbruch einschüchtern lassen“, erklärte der „Daily Express“ – obwohl die EU solches (noch) gar nicht angedroht hat. Und der „Telegraph“ freut sich schon auf die nächsten Scharmützel: „The battle lines have been drawn“, meldete er – die Fronten seien nun abgesteckt.

Nordirland-Minister Brandon Lewis bestätigte, dass London gewisse Bestimmungen des Austrittsvertrags ignorieren und so tatsächlich „internationales Recht brechen“ wolle. Das Nordirland-Protokoll des Abkommens, das Irland eine „harte Grenze“ ersparen sollte und das Boris Johnson persönlich aushandelte, schien dem britischen Mit-Urheber des Vertrags plötzlich nicht mehr akzeptabel – weshalb ein brandneues Brexit-Binnenmarkt-Gesetz den Briten jetzt das Recht verschaffen soll, das zum Problem gewordene Protokoll nach eigenem Gutdünken auszulegen.

Friedensprozess bedroht

Heute bereits soll nun das Unterhaus über die Gesetzesvorlage erstmals abstimmen. Kritik kam sogar aus der eigenen Partei. Am Wochenende meldeten sich nun Johnsons Vorgänger John Major (Tories) und Tony Blair (Labour) zu Wort. Mit scharfen Worten warnten die beiden ehemaligen Premierminister das Parlament davor, den gültigen Brexit-Deal auszuhebeln. Das Vorhaben der Regierung sei „schamlos“, das geplante Binnenmarktgesetz „unverantwortlich“. Sie fürchteten, dass es den irischen Friedensprozess und den Handelsgesprächen schaden werde. Die Mehrheit der Tory-Parlamentarier blieb freilich stumm. Ob sich genug „Rebellen“ gegen das neue Brexit-Gesetz finden, weiß niemand zu sagen.