Der britische Premierminister Boris Johnson setzt die Europäische Union kurz vor der nächsten Brexit-Gesprächsrunde unter Druck. Bis zum 15. Oktober soll eine Einigung zu einem Handelsabkommen auf dem Tisch liegen. Ansonsten werde es kein Freihandelsabkommen zwischen Großbritannien und der Europäischen Union geben, teilte Johnson am Sonntagabend in London mit.

"Wenn wir uns bis dahin nicht einigen können, sehe ich kein Freihandelsabkommen zwischen uns und wir sollten das beide akzeptieren und getrennte Wege gehen", wird Johnson am Montag laut vorab veröffentlichten Auszügen aus seiner Rede sagen. Stattdessen setze London dann auf eine Vereinbarung mit der EU nach australischem Vorbild, was laut Johnson "ein gutes Ergebnis" wäre. Für die EU käme dies einem ungeregelten Brexit gleich.

Abbruch angedroht

Laut einem Bericht der Zeitung "Financial Times" unter Berufung auf drei mit den Plänen vertraute Personen wolle die britische Regierung am Mittwoch Gesetze verabschieden, die Teile des Brexit-Abkommens über Staatshilfen und Grenzregelungen mit Irland außer Kraft setzen und einen Abbruch der seit Monaten ins Stocken geratenen Gespräche mit Brüssel bedeuten könnten.

Großbritannien ist im Jänner aus der EU ausgetreten. Bis Jahresende gilt noch eine Übergangsphase, in der die künftigen Beziehungen etwa im Bereich Handel geklärt werden sollen. In der Übergangsphase gehört Großbritannien noch zum EU-Binnenmarkt und zur Zollunion, so dass sich im Alltag fast noch nichts geändert hat. Gelingt kein Vertrag über die künftigen Beziehungen, könnte es Anfang 2021 zum harten wirtschaftlichen Bruch mit Zöllen und anderen Handelshemmnissen kommen.

Gefürchteter "No Deal"

Die EU hat mit Australien bisher nur ein Rahmenabkommen, das unter anderem technische Hürden betrifft. Im Großen und Ganzen findet der Handel zwischen Europa und Australien auf Grundlage der Welthandelsorganisation WTO statt. Auf Großbritannien übertragen wäre das dann der gefürchtete No Deal.

Noch schärfer im Ton war am Sonntag der britische Chef-Unterhändler David Frost: Er sei sich völlig einig mit Johnson, dass Großbritannien von einem No-Deal-Brexit nichts zu befürchten habe, sagte er der "Mail on Sunday". "Ich glaube nicht, dass uns das in irgendeiner Weise Angst einjagt", sagte Frost in einem Interview.

Am Dienstag wird EU-Unterhändler Michel Barnier in London erwartet. "Wir werden kein abhängiger Staat werden. Wir machen keine Kompromisse bei dem Grundsatz, die Kontrolle über unsere eigenen Gesetze zu haben", sagte Frost. Die EU müsse begreifen, dass London es ernst meine und auf seine Unabhängigkeit als souveräne Nation poche. "Wir wollen die Macht bekommen, unsere Grenzen zu kontrollieren, und das ist das Wichtigste überhaupt", sagte Frost.