Es sind nach Serbien und Kroatien die dritten Parlamentswahlen im ehemaligen Jugoslawien, die heute unter dem Eindruck der Coronakrise stattfinden. Ungewöhnlich sind in Nordmazedonien Tag und Durchführung. Am Montag wählten bereits alle mit Covid-19 Infizierten; gestern folgten Häftlinge und heute sind alle Bürger an der Reihe.

Zum ersten Mal wird in Nordmazedonien an einem Wochentag gewählt. Das ist das Ergebnis eines politischen Kompromisses zwischen den beiden großen Parteien, die unterschiedliche Termine wollten. Die Sozialdemokraten (SDSM) einen früheren, die Nationalkonservativen einen späteren.

Letztere sind die Partei mit dem ungewöhnlichsten Namen (VMRO-DPMNE) auf dem Balkan. Die „Innere Mazedonische Revolutionäre Organisation – Demokratische Partei für die Mazedonische Nationale Einheit“ führt ihre Traditionslinie auf die revolutionären Bewegungen im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts zurück. Ihre Wählerschaft besteht praktisch nur aus Mazedoniern, die die Partei als Nachfahren von Alexander dem Großen sieht. Während ihrer langen Regierungszeit verhärtete sich der Namensstreit mit Griechenland immer mehr, und Athen blockierte nicht nur die Aufnahme in die Nato, sondern auch den Beginn von Beitrittsverhandlungen mit der EU.

Im Gegensatz zur VMRO-DPMNE sieht die SDSM Mazedonien als Staat seiner Bürger; dieser Unterschied ist wichtig, weil die albanische Volksgruppe etwa 20 Prozent der Bevölkerung stellt. 2001 führte der Albaner-Aufstand das Land an den Rand des Zerfalls, der nur unter massivem Einsatz von Nato und EU mit der Friedensregelung von Ohrid verhindert werden konnte. Die Albaner erhielten schrittweise mehr Rechte, ihre Sprache ist nun zweite Amtssprache, und die Albaner-Partei DUI ist seit mehr als 15 Jahren Teil wechselnder Regierungsbündnisse.

Albaner spielen eine wichtige Rolle

Bereits bei der Parlamentswahl 2017 stimmten für die SDSM auch Albaner. Das verhalf der Partei zu dem knappen Resultat (49 Sitze) hinter der VMRO-DPMNE (51 Sitze), die bei mazedonischen Wählern klar die Nummer eins wurde. Trotz der relativen Mehrheit der VMRO-DPMNE bildete die SDSM unter Zoran Zaev mit der Partei DUI die Regierung. Zaev gelang im Juni 2018 gemeinsam mit dem griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras die Beilegung des Namensstreits. Skopje stimmte einer Namensänderung zu, und der Staat heißt nun „Nordmazedonien“. Athen beendete seine Blockade, mit Bulgarien wurde ein Freundschaftsvertrag unterzeichnet, im März wurde Nordmazedonien in die Nato aufgenommen. Im Frühjahr gab die EU auch grünes Licht für die Aufnahme von Beitrittsgesprächen.

Auf diese Erfolge verwies Zoran Zaev im Wahlkampf. Seine SDSM hat eine Koalition mit der Albaner-Partei BESA gebildet, während DUI und weitere albanische Parteien selbstständig antreten. Insgesamt werben 15 Parteien um die 1,8 Millionen Wähler. Im sehr schmutzig geführten Wahlkampf kritisierte die VMRO-DPMNE das Abkommen mit Griechenland massiv und warb mit dem Anspruch auf wirtschaftliche Erneuerung. Seriöse Umfragen fehlen zwar, doch das größere Koalitionspotenzial dürfte wieder die SDSM haben, wobei der Abstand zwischen den beiden mazedonischen Parteien ebenfalls eine Rolle spielen wird.

So erfolgreich Zaev außenpolitisch war, so wenig hatten ausländische Investoren ein leichtes Leben und waren zum Teil massiver Willkür ausgesetzt. Ein Beispiel ist das Bergbauunternehmen Euromax, zu dessen Investoren die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung zählt. In Zaevs politischer Heimat Strumica will die Firma in eine Gold-Kupfer-Mine 340 Millionen Euro investieren und 3000 Arbeitsplätze schaffen. Unter dem Eindruck von Bürgerprotesten zog die Regierungsmehrheit im Parlament 2019 über Nacht die Konzession zurück. Der politisch-juristische Streit dauert an. Auf dem Weg zu Rechtsstaat und EU hat Nordmazedonien noch einen weiten Weg vor sich.