Nach dem unerwarteten Rücktritt von Russlands Regierung hat Präsident Wladimir Putin den Chef der nationalen Steuerbehörde, Michail Mischustin, als neuen Ministerpräsidenten vorgeschlagen. Das meldeten russische Nachrichtenagenturen am Mittwochabend unter Berufung auf den Kreml. Mischustin habe bereits zugestimmt, hieß es. Es wurde erwartet, dass er als eine Art Übergangspremier arbeiten wird.

Politisch ist Mischustin bisher kaum in Erscheinung getreten. Der 53 Jahre alte Wirtschaftsexperte aus Moskau steht seit 2010 an der Spitze der Behörde. Das Parlament muss den Wunschkandidaten von Putin noch bestätigen. Das gilt jedoch unter Beobachtern als Formsache.

Als Reaktion auf eine von Putin angekündigte Verfassungsreform hatte zuvor Regierungschef Dmitri Medwedew den Rücktritt seiner Regierung verkündet und damit Putin den Weg für die angekündigte Verfassungsreform bereitet. Medwedew soll nach dem Willen Putins Vize-Vorsitzender des nationalen Sicherheitsrates werden und dort die Bereiche Verteidigung und Sicherheit verantworten.

Medwedew reicht Rücktritt ein

Die russische Regierung von Dmitri Medwedew hat offiziell ihren Rücktritt eingereicht. Das sagte Medwedew am Freitag in Moskau nach einem Treffen mit Staatspräsident Wladimir Putin, wie russische Nachrichtenagenturen meldeten. Er wolle Präsident Wladimir Putin damit die Möglichkeit geben, die nötigen Veränderungen im Land anzustoßen.

Putin werde eine neue Regierung berufen und wies das bisherige Kabinett an, bis dahin im Amt zu bleiben, meldete Interfax. Als Kandidaten für den Posten des Ministerpräsidenten gelten der Moskauer Bürgermeister Sergej Sobjanin, der bisherige Wirtschaftsminister Maxim Oreschkin und der amtierende Energieminister Alexander Nowak

Zuvor hatte Putin in seiner Rede zur Lage der Nation vor dem Parlament eine Verfassungsreform vorgeschlagen, das der Volksvertretung mehr Einfluss einräumen soll.

Der russische Präsident Wladimir Putin will mit einer Verfassungsreform dem Parlament mehr Macht einräumen. So sollen die Abgeordneten unter anderem künftig den Ministerpräsidenten bestimmen, wie Putin am Mittwoch in einer Rede zur Lage der Nation ankündigte. Bisher schlägt der Präsident den Regierungschef vor, und die Duma - das russische Parlament - stimmt über ihn ab.

Zudem sollten die Kriterien für Präsidentschaftskandidaten verschärft werden. Dazu schlug er ein Verfassungsreferendum vor.

Parlament als Machtbasis?

An dem starken Präsidialsystem wolle er aber festhalten. Ein Datum für ein entsprechendes Referendum nannte er nicht. Kritiker werfen Putin vor, bereits an seinem Machterhalt über das Jahr 2024 hinaus zu arbeiten, in dem seine Amtszeit als Präsident endet und er gemäß der Verfassung abtreten muss.

Spekuliert wurde neben einer Verfassungsänderung für eine erneute Kandidatur auch darüber, dass Putin dem Parlament mehr Macht verleihen und als Ministerpräsident mit größeren Befugnissen weiter regieren könnte. Im Dezember hatte sich Putin offen für eine Verfassungsreform gezeigt, die die Zahl der Amtszeiten eines Präsidenten stärker begrenzen könnte. Er signalisierte, die Zahl der präsidialen Amtszeiten könnte grundsätzlich auf zwei limitiert werden.

Bisher begrenzt die Verfassung lediglich die Zahl der aufeinanderfolgenden Amtszeiten auf zwei. Putin selbst ist seit 1999 entweder als Präsident oder als Ministerpräsident an der Macht. 2024 endet seine vierte Amtszeit als Präsident.

Medwedew stand unter Druck

Die Regierung stand zudem wegen der Wirtschaftskrise im Land unter großem Druck. Putin hatte erst kurz zuvor mehr Hilfen für einkommensschwache Familien versprochen. Die nächste Parlamentswahl war für Herbst 2021 geplant.

Medwedew soll nach Angaben Putins nun Chef des Sicherheitsrates werden. "Ich halte es für möglich und bat ihn, sich in Zukunft mit Fragen dieser Kategorie zu befassen."

Der 54 Jahre alte Medwedew war von 2008 bis 2012 Präsident Russlands. Danach übernahm der Jurist von Putin den Posten des Regierungschefs. Zudem ist er Vorsitzender der Kremlpartei Geeintes Russland.

Medwedew ist in Russland sehr unbeliebt. Seit 2017 gibt es immer wieder Proteste der Opposition, die sich besonders gegen seine Person richten. Der Kremlkritiker Alexej Nawalny hatte mit Recherchen Korruption und Geldanhäufung des Politikers aufgedeckt und die Proteste angestoßen.