Friedrich Merz setzt die Gesetze außer Kraft. Denn bisher galt in der Partei von Konrad Adenauer, Helmut Kohl und Angela Merkel: Der Parteichef der CDU wird auch Kanzlerkandidat. Gottgegebene Tradition nennen das manche in der Christdemokratischen Union. Lediglich die beiden Vorsitzenden der bayerischen Schwesterpartei CSU, Franz Josef Strauß und Edmund Stoiber, durchbrachen die Phalanx und scheiterten unrühmlich. Ihre Kandidaturen 1980 und 2002 für die Union gelten aus Sicht vereinzelter Politologen als Ausdruck damaliger christdemokratischer Schwäche. Immerhin bewahrte man jeweils das Chefprinzip.

Merz stellt nun das Prinzip infrage und bringt eine Urwahl der Parteibasis über die Kanzlerkandidatur ins Spiel. Der frühere Fraktionschef war vor einem Jahr nur knapp an Annegret Kramp-Karrenbauer im Rennen um den Parteivorsitz gescheitert. Etliche Fehltritte der Vorsitzenden haben allerdings ein spürbares Rütteln im Parteibetrieb in den vergangenen Wochen erzeugt. Nicht nur die Anhänger von Merz sehen in AKK keine geeignete Regierungschefin, auch die Umfragewerte sprechen mittlerweile gegen die Verteidigungsministerin. Neben der Jungen Union spricht sich nun auch der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen für eine Beteiligung der Basis an der K-Frage und damit auch indirekt für eine Stärkung von Friedrich Merz aus.

Personal statt Inhalt

Ursprünglich sollte auf dem heute in Leipzig beginnenden zweitägigen Parteitag der CDU lediglich über Inhalte und nicht über Personen debattiert werden. Die Urwahl könnte nun allerdings auf dem Parteitreffen die zentrale Rolle spielen. Einerseits bekennt sich Merz zwar zur Parteichefin und sagt in Interviews, „Kramp-Karrenbauer hat unser aller Unterstützung verdient“, doch gleichwohl fügt er hinzu: „auch wenn es schwierig wird“. Es soll in Leipzig keinen Putschversuch geben, aber eine kontroverse Debatte dürfte sich schon entwickeln. Es könnte ein später Versuch von Friedrich Merz werden, die Schmach nach der Hamburger Niederlage im vergangenen Dezember geradezurücken.

„Und wenn ich mich zu der ein oder anderen Person auch einmal kritisch äußere, dann ist das kein Putschversuch. Lasst mal die Kirche im Dorf!“, sagte Merz der „Zeit“. Mit der Kritik ist dann auch Kanzlerin Merkel gemeint, die ihr Amt bis zum Ende der Legislaturperiode 2021 ausfüllen will. Auch das könnte in Leipzig abseits der Bühnen lebhaft besprochen werden. Denn für das Erscheinungsbild der Großen Koalition macht Merz die Kanzlerin persönlich verantwortlich. Das Bild der Bundesregierung sei schlicht „grottenschlecht“.