Syrien stationiert in Grenzstädten Truppen, die sich der "türkischen Aggression" entgegenstellen sollen. Soldaten seien in Tel Tamer, Tabqa nahe Raqqa, Ain Issa und weiteren Orten eingerückt, berichteten syrische Staatsmedien am Montag.

Vorausgegangen war eine Einigung zwischen der Regierung in Damaskus und dem von der Kurden-Miliz YPG geführten Rebellenbündnis Syrische Demokratische Streitkräfte (SDF).

Seit Mittwoch nimmt das türkische Militär den überwiegend von Kurden bewohnten Nordosten Syriens unter Beschuss, worauf die SDF Präsident Bashar al-Assad um Hilfe baten. Für Assad und seine Verbündeten Russland und Iran ist die Entwicklung ein Erfolg. Vor allem in der EU aber wird befürchtet, dass sich der Krieg ausweitet, sollte es zu einer direkten Konfrontation zwischen Syrien und dem NATO-Mitglied Türkei kommen.

Die Soldaten seien unter anderem in Tel Tamer im Nordosten des Landes eingerückt, berichteten Staatsmedien. Assads Truppen wurden bei ihrer Ankunft in Tel Tamer von jubelnden Einwohnern begrüßt. Das Staatsfernsehen zeigte eine Menge, die syrische Flaggen schwenkte und Porträts von Assad hochhielt. Die Stadt liegt an der strategisch wichtigen Autobahn M4, die von Osten nach Westen führt. Die syrische Armee teilte mit, sie habe die Straße am Sonntag unter ihre Kontrolle gebracht. Tel Tamer ist nur 35 Kilometer von Ras al-Ain entfernt, das eines der zentralen Ziele der türkischen Armee ist.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan betonte aber, die Türkei wolle die Kontrolle über die Städte Manbij und Kobane übernehmen. Seine Führung werde ihren Plan für die nordsyrische Stadt Manbij umsetzen und dort arabische Syrer ansiedeln, sagte Erdogan.

Die syrischen Regierungssoldaten würden in die Grenzstädte von Manbij bis Derik einziehen, was dem Schutz der Grenze diene, sagte der führende Kurden-Vertreter Badran Jia Kurd zu Reuters. "Das ist eine vorläufige militärische Übereinkunft. Die politischen Aspekte wurden nicht besprochen, diese werden später diskutiert werden." Nachdem die USA der Türkei grünes Licht für ihren Angriff gegeben hätten, sei man gezwungen gewesen, nach einer anderen Option zu suchen, sagte Kurd. Daher habe man das Gespräch mit der syrischen Regierung und Russland gesucht.

Die USA hatten zunächst ihre Soldaten von zwei Beobachtungsposten im Nordosten Syriens abgezogen und damit den Weg für den türkischen Angriff geebnet. Am Sonntag kündigte die US-Regierung an, sie werde ihre restlichen 1.000 Soldaten wegen der sich ausweitenden türkischen Offensive in den kommenden Tagen aus Syrien abziehen. Erdogan begrüßte die Ankündigung. Ein Regierungssprecher in Berlin betonte dagegen, die deutsche Regierung habe der US-Führung die Erwartung übermittelt, dass sie ihr Militär nicht aus Syrien abziehen solle.

Die Türkei hatte am Mittwoch ihre Offensive im Nordosten Syriens gestartet hat. Sie will auf syrischem Boden eine 30 Kilometer breite sogenannte Sicherheitszone errichten und die Kurden-Miliz YPG zum Abzug aus dem Gebiet zwingen. Erdogan sagte am Sonntag, die Zone solle von Kobane im Westen bis Hasaka im Osten reichen. In der heute überwiegend von Kurden besiedelten Region sollen rund zwei Millionen meist arabische Syrer angesiedelt werden, die vor dem seit acht Jahren dauernden Bürgerkrieg in die Türkei geflohen sind.

Das Rebellenbündnis SDF hatte mit Unterstützung der USA die radikal-islamische IS-Miliz in einem erbitterten Kampf niedergerungen. So hatten SDF-Einheiten 2017 die Stadt Tabqa und einen nahegelegenen Staudamm vom IS befreit. Dass die USA nun mit ihrem Abzug der Türkei grünes Licht für ihre Offensive gaben, werten die SDF als Dolchstoß.

Auch international steht das NATO-Mitglied Türkei wegen der Militäroffensive in der Kritik. Nach UN-Angaben sind bereits rund 100.000 Menschen auf der Flucht. Nach Zählung der oppositionsnahen Syrischen "Beobachtungsstelle für Menschenrechte" wurden auf syrischer Seite 121 YPG-Kämpfer und 60 Zivilisten getötet, während vier türkische Soldaten und 86 verbündete Milizionäre starben. Auch 18 Zivilisten wurden auf türkischer Seite getötet.

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte, die Türkei riskiere eine weitere Eskalation in der Region. Der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian forderte seine EU-Kollegen auf, bei ihrem Treffen in Luxemburg den Militäreinsatz zu verurteilen und ein Waffenembargo gegen die Türkei zu beschließen. Sein deutscher Amtskollege Heiko Maas zeigte sich mit Blick auf mögliche EU-Wirtschaftssanktionen zurückhaltend. "Es ist wichtig, mit der Türkei (...) im Dialog zu bleiben, um auf sie einwirken zu können", sagte Maas. Es sei zu befürchten, dass durch die türkischen Angriffe letztlich der IS gestärkt werde. Das sei bereits zu sehen.

Außenminister Alexander Schallenberg erklärte vor den Beratungen, die türkische Militäroffensive sei "einfach falsch und unterminiert die Sicherheit und Stabilität in der ganzen Region". Der EU-Beitrittskandidatenstatus der Türkei sei nicht aufrecht zu erhalten. Österreich stehe schon lange auf dem Standpunkt, dass die Beitrittsverhandlungen auch formell beendet werden sollen, sagte Schallenberg. "Wir sollten uns keinesfalls erpressen lassen."

Frankreich und Deutschland haben beschlossen, keine neuen Waffenlieferungen an die Türkei mehr zu genehmigen. Österreich liefert seit 2016 kein Kriegsmaterial an die Türkei. Die EU hat nach Eurostat-Daten 2018 Waffen und Munition für rund 45 Millionen Euro an die Türkei geliefert. Die größten Exporteure sind Italien, Spanien, Großbritannien und Deutschland. Daten für Militärflugzeuge lagen zunächst nicht vor.

Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn warnte allerdings vor allzu großen Erwartungen. "Erdogan bekommt seine Waffen nicht von diesen Ländern. Das muss man auch klar sehen", sagte er. Für das Argument gegen scharfe Sanktionen spricht nicht zuletzt die Rolle der Türkei in der Flüchtlingskrise. Erdogan hat bereits mehrfach gedroht, dass sein Land Flüchtlinge aus Syrien unkontrolliert in Richtung Westeuropa ziehen lassen könnte.

Als eine der großen Gefahren der türkischen Militärintervention wurde bei dem EU-Treffen unterdessen ein mögliches Wiedererstarken der Terrormiliz Islamischer Staat genannt. Am Sonntag hatten die kurdische Autonomiebehörde und die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mitgeteilt, dass rund 780 Angehörige von IS-Extremisten aus einem Lager ausgebrochen seien. Le Drian forderte am Montag wegen der Problematik eine Sondersitzung der internationalen Koalition gegen den IS. Le Drian beschloss außerdem, das Fußballmatch zwischen Frankreich und der Türkei am Montag entgegen früherer Planungen zu meiden.