Der Plan werde nun dem für Donnerstag angesetzten Sondergipfel der EU-Staats- und Regierungschefs zur Flüchtlingsfrage unterbreitet. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) sieht den österreichischen Vorstoß für ein Pilotprojekt zur Flüchtlingsrettung ("Save Lives") in der aktuellen EU-Diskussion bestätigt. Avramopoulos habe ein klares Bekenntnis zu einem entsprechenden EU-Pilotprojekt gegeben, sagte Mikl-Leitner am Montag in Luxemburg. Sie könne nicht sagen, inwieweit sich in dem Projekt auch die von Österreich angeregte Idee eines Verteilungsschlüssels wiederfinde.
Der Zehn-Punkte-Plan sieht unter anderem eine "Stärkung" der Seenotrettung im Mittelmeer vor, etwa durch mehr Geld und mehr Mittel - bleibt aber in den Details vorerst vage, nachdem etwa Deutschland von einer geplanten "Verdoppelung der Maßnahmen" gesprochen hatte. Zudem soll laut dem Kommissionsvorschlag der Einsatzbereich etwa der Grenzmission "Triton" im Mittelmeer ausgeweitet werden, damit weiter von der europäischen Küste entfernt eingegriffen werden kann.
Weiter fordert das Papier "systematische Anstrengungen, um Boote zu beschlagnahmen und zu zerstören, die von Schleusern benutzt werden". Darüber hinaus soll die Arbeit von der Grenzbehörde Frontex mit anderen Polizei- und Justizbehörden in Europa bei der Verfolgung von Menschenhändlern verbessert werden.
Die Asyl-Behörde EASO soll derweil Teams in die Hauptankunftsländer Italien und Griechenland entsenden, um diese bei der Bearbeitung von Asylanträgen zu unterstützen. Mitgliedstaaten sollen verpflichtet werden, von allen Flüchtlingen Fingerabdrücke nehmen. Geplant ist zudem ein "EU-weites, freiwilliges Pilotprojekt" zur Umverteilung auf andere Länder sowie auch ein weiteres Programm einer "Notfall-Umsiedlung". Und Rückführungen abgelehnter Asylbewerber sollen beschleunigt werden.
Schließlich soll die Zusammenarbeit mit Ländern um Libyen, von wo aus die meisten Flüchtlinge derzeit nach Europa kommen, verstärkt werden, unter anderem mit Niger. Dazu sollen auch Verbindungsbeamte in sogenannte Drittstaaten entsandt werden, um Informationen über Migrationsrouten zu sammeln.
Als Vorbild des Vorgehens gegen Schlepperbanden soll der EU-Marineeinsatz vor der somalischen Küste dienen, mit dem Piraten bekämpft wurden. Avramopoulos sagte, der Einsatz solle sowohl zivile wie militärische Elemente enthalten. Details seien noch nicht beschlossen worden.
Die EU sichert seit November die Küsten Südeuropas im Rahmen des gemeinsam finanzierten Programms Triton. Daran sind nach Angaben der EU-Kommission vom Februar neun Schiffe, zwei Flugzeuge und ein Hubschrauber beteiligt. Das Einsatzgebiet liegt bisher nicht direkt vor Nordafrika, sondern knapp 60 Kilometer vor der italienischen Küste. Viele der maroden und überladenen Flüchtlingsboote kentern, bevor sie in die Zone gelangen. Verantwortlich für Triton ist die Grenzschutzagentur Frontex, die sich aus Geld der EU-Mitgliedsländer speist und pro Jahr rund 90 Millionen Euro zur Verfügung hat.
Auch wegen der jüngsten Katastrophe rückt das von Unruhen zerrissene Libyen in den Fokus, das Haupttransitland für Flüchtlinge auf dem Weg nach Europa ist. Dort warteten rund eine Million Menschen auf die Überfahrt, sagte de Deutschlands Innenminister Thomas de Maiziere nach Angaben mehrerer Teilnehmer in der CDU-Bundesvorstandssitzung in Berlin. Er habe zudem von einer immer professionelleren Organisation der Schlepperbanden berichtet, die die Flüchtlinge teilweise per Smartphone-App an die Küste und zu den Booten leiteten.
Ein Umdenken in der europäischen Migrationspolitik hat Bundespräsident Heinz Fischer am Montagabend gefordert. "Die bisherige Politik auf diesem Gebiet kann, so wie sie war, nicht fortgesetzt werden", betonte er bei einer stillen Kundgebung in Wien für die rund 950 Menschen, die in der Nacht auf Sonntag im Mittelmeer ertrunken sind.
"Den Leidensdruck dieser Menschen kann man sich am besten vorstellen, wenn man sich überlegt, was wäre, wenn das die eigene Mutter, Tochter, der eigene Vater oder Sohn ist. Dann verwandelt sich eine Zahl in ein Gesicht und einen Menschen", sagte Fischer und bezeichnete das Unglück als "monströse Katastrophe".
Rund 5.000 Menschen hatten über soziale Netzwerke ihre Teilnahme an der Mahnwache bestätigt. Vor der Minoritenkirche wurden zahlreiche Grabkerzen aufgestellt, Plakate, unter anderem mit der Aufschrift "Stoppen wir das Massensterben im Mittelmeer", waren zu sehen. Unter den Anwesenden fanden sich unter anderem Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ), Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP), Landwirtschaftsminister Andre Rupprechter (ÖVP), Grünen-Bundesparteiobfrau Eva Glawischnig, Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (Grüne), SPÖ-Klubchef Andreas Schieder, NEOS-Klubobmann Matthias Strolz und Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ).
"Diese Katastrophe macht so betroffen, weil sie eine Katastrophe mit Ansage ist und wir diese Menschen sehenden Auges ertrinken lassen haben", verdeutlichte Diakonie-Direktor Michael Chalupka. Er appellierte an die österreichische Bundesregierung, "mit der strukturierten Verantwortungslosigkeit in europäischen Entscheidungsgremien Schluss zu machen".