Immer wenn die Retter auf ein Opfer stoßen, wird es still an der Grabungsstelle. Man hält kurz inne und zollt dem verblichenen Menschenleben Respekt. Immer häufiger verstummen die Helfer. Denn das letzte Wunder liegt lange zurück: Fünf Tage nach dem verheerenden Erdbeben in Myanmar ist am Mittwoch ein Mann aus den Trümmern geborgen worden. Der 26-Jährige ist der Letzte, der lebend geborgen werden konnte. Eine Woche nach dem Beben der Stärke 7,7 ist die offizielle Opferzahl auf über 3000 angestiegen, mindestens 4000 sind verletzt, Hunderte vermisst.

Die Menschen im Bebengebiet kämpfen ums Überleben. „Der humanitäre Bedarf ist immens“, betont Kyi Minn, der Direktor von World Vision International Myanmar. „Die Familien kämpfen mit sehr hohen Temperaturen, großer Hitze und Wassermangel ohne Unterkunft, Nahrung oder medizinische Versorgung und erleiden gleichzeitig ein schweres körperliches und emotionales Trauma.“

TOPSHOT - People line up for food aid being distributed in Sagaing on April 3, 2025, following the March 28 earthquake. The shallow 7.7-magnitude earthquake on March 28 flattened buildings across Myanmar, killing more than 3,000 people and making thousands more homeless. (Photo by Sai Aung MAIN / AFP)
Die Menschen sind auf Hilfslieferungen angewiesen © AFP/Sai Aung Main

Teils mit bloßen Händen graben die Menschen trotzdem verzweifelt weiter nach Vermissten. Laut der BBC sucht man nach der Hilfe des Militärs im Bebengebiet vergebens. Berichten zufolge flog die herrschende Militärjunta im vom Bürgerkrieg geplagten Land weiter Luftangriffe auf Widerstandsgruppen, auch Bodenangriffe soll es gegeben haben. Erst nach heftiger Kritik kündigte die Militärregierung nun eine dreiwöchige Waffenruhe an. Jedoch gibt es Berichte, dass die Junta sich nicht daran halte.

TOPSHOT - Children walk past a collapsed building in Mandalay on April 2, 2025, five days after a major earthquake struck central Myanmar. Days after a shallow 7.7-magnitude earthquake that killed more than 2,000 people, many people in Myanmar are still sleeping outdoors, either unable to return to ruined homes or afraid of further aftershocks. (Photo by AFP)
© AFP/Str

Das Erdbeben dürfte die Position des regierenden Generals Min Aung Hlaing noch gestärkt haben. Diplomatische Kanäle, die vier Jahre lang verschlossen waren, nachdem seine Junta die gewählte Regierung gestürzt und einen brutalen Bürgerkrieg entfesselt hatte, sind nun offen.

„Die Junta weiß, dass regionale Mächte wie Indien, China und Russland, die um Einfluss in Myanmar ringen, diese Gelegenheit nutzen wollen, um ihren eigenen Einfluss zu stärken,“ sagt Angshuman Choudhury, ein in Singapur ansässiger Experte. Indem sie direkt mit den Hauptstädten dieser Regionalmächte interagiere, könnten die Militärherrscher „ihre angebliche Unentbehrlichkeit als Myanmars wichtigste öffentliche Autorität demonstrieren“. Auch Georg Bauer, Myanmar-Experte an der Uni Wien, glaubt nicht, dass das Erdbeben die Junta schwächen wird. „Es ist noch zu früh, die konkreten Auswirkungen abzuschätzen. Die Menschen sind beschäftigt mit Überleben, da kann von Protesten nicht die Rede sein. Das ist unter diesen Umständen unmöglich“, betont Bauer. „Die Wirtschaft wird massiv unter der Katastrophe leiden, dadurch wird auch der Druck auf die Junta steigen“ – inwieweit, bleibe jedoch unklar. Unterdessen hofft man in dem tiefgläubigen Land weiter auf Wunder.

TOPSHOT - Buddhist monks stand on rubble as they clear up debris at the damaged Thahtay Kyaung Monastery in Mandalay on April 1, 2025, four days after a major earthquake struck central Myanmar. Four days after the shallow 7.7-magnitude earthquake that killed more than 2,000 people, many people in Myanmar are still sleeping outdoors, either unable to return to ruined homes or afraid of further aftershocks. (Photo by Sai Aung MAIN / AFP)
Mit bloßen Händen wird nach Verschütteten gesucht © AFP/Sai Aung Main