Eine Abstimmung im Nationalrat Ende September zur Auflösung von Vereinen der Identitären sorgt weiter für Wirbel. Ein Wiener Anwalt hat jetzt eine Anzeige gegen die ehemalige Dritte Nationalratspräsidentin Anneliese Kitzmüller (FPÖ) eingebracht - wegen Missbrauchs der Amtsgewalt. Kitzmüller hatte die Abstimmung als abgelehnt gewertet, was sich durch "Addendum"-Recherchen als falsch herausstellte.

Der Entschließungsantrag stammte von der Liste Jetzt. Es ging um die Aufforderung an den Innenminister, die Vereine der Identitären aufzulösen. SPÖ und FPÖ (vor der Wahl Ende September noch mit einer Mehrheit ausgestattet) stimmten gegen den Antrag, ÖVP, NEOS und Liste JETZT dafür. Es waren jedoch einige Mandatare nicht im Raum, und die Abstimmung endete letztlich mit fotografisch dokumentierten 70 Stimmen für und 67 Stimmen gegen die Entschließung.

Die damalige Dritte Nationalratspräsidentin Anneliese Kitzmüller (FPÖ) bemerkte das offensichtlich nicht. "Das ist die Minderheit, abgelehnt", stellte sie fest. Formal blieb es auch dabei: Das festgestellte Abstimmungsergebnis wurde in der Sitzung nicht in Zweifel gezogen und auch nicht beeinsprucht, als das amtliche Protokoll zur Einsicht auflag. Damit ist es gültig.

Elektronische Zählung

Ein Wiener Rechtsanwalt will diesen Abstimmungsfehler allerdings nicht hinnehmen und brachte nun eine Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Wien ein. Der Anzeiger sei ein "Organ der Rechtspflege", hieß es in einer Aussendung. Als solches "ist der Anzeiger verpflichtet, Mängel in der Rechtspflege bei der zuständigen Stelle anzuzeigen".

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) hatte die fehlerhafte Entscheidung am Freitag im ORF als "Tatsachenentscheidung" bezeichnet - wie im Fußball eine Entscheidung des Schiedsrichters. Gleichzeitig sprach er sich in Zukunft für eine elektronische Abstimmungsanlage im Parlament aus, damit solche Fehler nicht mehr passieren könnten.