Ralph Müller ist Generaldirektor der Wiener Städtischen Versicherung und Vizepräsident des Verbands der Versicherungsunternehmen Österreichs (VVO)
Ralph Müller ist Generaldirektor der Wiener Städtischen Versicherung und Vizepräsident des Verbands der Versicherungsunternehmen Österreichs (VVO) © Ludwig Schedl

Die jüngsten Unwetter haben vor allem in Kärnten Verwüstungen enormen Ausmaßes hinterlassen und Schäden in Millionenhöhe verursacht. Allein die Wiener Städtische rechnet für den August mit einem Schadensaufwand von rund 20 Millionen Euro. Seit dem Jahr 2011 verzeichnen wir österreichweit Schäden von mehr als 1,1 Milliarden Euro – nur durch Naturkatastrophen.

Derartige Ereignisse, die in der Vergangenheit alle 30 bis 50 Jahre vorgekommen sind, werden künftig in sehr viel kürzeren Abständen und in höherer Intensität auf uns zukommen, weil Österreich sich in einer sehr exponierten geografischen Lage befindet. Heuer trifft es Kärnten, die Steiermark und den Westen Österreichs, die Jahre davor waren Salzburg, Oberösterreich und Niederösterreich von Sturm, Hagel und Hochwasser schwer betroffen. Kurz gesagt, es gibt kaum eine Region in Österreich, die nicht von Naturkatastrophen in Mitleidenschaft gezogen wird – und viele Menschen sind gegen diese Schäden an ihren Häusern nicht ausreichend versichert. Jetzt stellt sich die Frage, wie diese wachsende finanzielle Lücke am besten und flächendeckend in ganz Österreich geschlossen werden kann.

Die Versicherungswirtschaft schlägt hierfür eine solidarische Lösung vor, die für Betroffene wesentliche Vorteile bietet: Erstens wären sie dann umfassend bei Naturkatastrophen abgesichert. Weder ein zu gering dotierter Katastrophenfonds noch ein zu hohes Einkommen, um Gelder aus dem Fonds zu bekommen, würden die Existenz Geschädigter gefährden.

Sie wären dann nicht mehr Bittsteller, die auf Zahlungen hoffen müssten, sondern hätten tatsächlich einen rechtlichen Anspruch auf Leistungen. Ein weiterer Vorteil wäre, dass die Betroffenen viel schneller zu ihrem Geld kommen würden, denn für Versicherungen ist das Schadensmanagement tägliches Geschäft. Bis Gelder aus dem Katastrophenfonds fließen, dauert es oft Monate oder gar Jahre, wie eine Studie jüngst aufzeigte.
Dass dieses Versicherungsmodell erfolgreich funktioniert, beweisen etwa die Schweiz, Belgien und Frankreich. Belgien dient dabei als Vorbild, weil die Naturkatastrophendeckung hier in die bestehende Feuerversicherung integriert ist. Auch in Österreich wäre eine solche Variante einfach umsetzbar und sinnvoll, da nahezu alle Haushalte und Unternehmen über eine Feuerversicherung verfügen. Dabei käme die Stärke des solidarischen Versicherungsprinzips einmal mehr zum Tragen: Alle leisten einen kleinen Beitrag, um große Schäden einzelner abzudecken. Damit dieser umfassende Versicherungsschutz bei Naturkatastrophen für alle kommt, braucht es jedoch eine gesetzliche Änderung. Da ist jetzt die Politik am Zug.

Gabriele Zgubic ist Leiterin der Abteilung Konsumentenpolitik in der Arbeiterkammer Wien und Aufsichtspräsidentin des Vereins für Konsumenteninformation
Gabriele Zgubic ist Leiterin der Abteilung Konsumentenpolitik in der Arbeiterkammer Wien und Aufsichtspräsidentin des Vereins für Konsumenteninformation © (c) Christian Fischer

Seit vielen Jahren fordert die Versicherungswirtschaft eine verpflichtende Versicherung aller Haushalte für Naturgefahren. Im Zentrum stehen Schäden durch Starkregen, Hochwasser und Vermurungen. Nun decken Eigenheim- und Haushaltsversicherung Sturmschäden zwar ab, allerdings mit sehr niedrigen Höchsthaftungssummen. Mit zusätzlichen Bausteinen der Elementarschadenversicherung können aber in größerem Umfang diese Risiken mit höheren Höchsthaftungssummen versichert werden – das heißt, es gibt für potenziell von Hochwasser bedrohten Haushalten bereits Versicherungslösungen, wenngleich es Deckungslücken gibt, etwa bei Verlust des gesamten Hauses.

Mit Blick auf die in den Jahresberichten des Versicherungsverbandes veröffentlichten Prämien- und Leistungsentwicklungen zu Sturmschäden ist ersichtlich, dass 2016 bis 2020 die Prämien zum Teil deutlich die Leistungen überstiegen. 2021 gab es bei den Leistungen einen Ausreißer nach oben, 2022 lagen die Prämien nur leicht unter den Leistungen. Aus diesen Zahlen erhellt sich meines Erachtens nicht die Notwendigkeit einer Versicherungspflicht für alle österreichischen Haushalte unabhängig ihres Risikos, insbesondere im Hinblick auf Hochwasserschäden.

Diese wäre auch nicht risikogerecht und systemwidrig: Das Solidarprinzip in der Versicherung bedeutet im Wesentlichen, dass eine große Anzahl von Personen oder Unternehmen, die die gleichen Risiken haben, in eine gemeinsame Kassa einzahlen. Es gibt aber eine große Anzahl von Haushalten, die nie von Hochwasser betroffen sein werden. Warum sollen sie also eine Prämie zahlen für Ereignisse, die nicht eintreten werden?
Man kann nicht auf diese Weise die finanziellen Folgen von Naturkatastrophen – vor allem Hochwasser – auf private Haushalte abwälzen, die in Folge mit deutlich höheren Prämien konfrontiert wären. Unverschuldet in Not geratenen Menschen zu helfen, ist eine öffentliche Aufgabe und soll eine öffentliche Aufgabe bleiben. Dem Katastrophenfonds kommt dabei eine Schlüsselfunktion zu. Den Löwenanteil der Ausgaben machen mit rund 230 Millionen Euro im Jahr 2022 vorbeugende Maßnahmen aus. Für Schäden Privater wurden 2022 von insgesamt 424 Millionen Euro nur rund 20 Millionen ausgezahlt.

Aufgrund der Klimaerwärmung ist künftig mit mehr starken Unwettern zu rechnen. Es muss sowohl der Staat gewappnet sein – etwa durch Verstärkung von Vorsorgemaßnahmen wie Hochwasserschutz sowie im Bereich der Flächenwidmungen und Baugenehmigungen – wie auch die Versicherungen mit maßgeschneiderten Versicherungslösungen für von Hochwasser potenziell betroffenen Haushalte. Dabei wären klare Kriterien nötig, wann Versicherungen einen Antrag ablehnen dürfen.