Es ist nicht der erste Versuch, eine bessere Klimapolitik über den Gerichtsweg durchsetzen zu wollen. Doch der rechtliche Hebel, den zwölf Kinder und Jugendliche nun mit einer neuen Klage beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) nutzen wollen, ist juristisches Neuland. Am Dienstag hat die Gruppe aus Fünf- bis 16-Jährigen vor dem Höchstgericht beanstandet, dass das österreichische Klimaschutzgesetz unwirksam und damit nicht verfassungskonform sei – denn es laufe in seiner jetzigen Form den ebenfalls verfassungsmäßig garantierten Kinderrechten zuwider.

Das inkriminierte Gesetz aus dem Jahr 2011 sollte festlegen, bis wann Österreich in welchen Sektoren wie viel Treibhausgasausstoß reduzieren muss. Die Regelungen dafür reichen aber nur bis ins Jahr 2020, seither gibt es für die CO₂-Reduktion keinen gesetzlichen Rahmen mehr. Gegen ein Nachfolgegesetz nach Vorstellung der Grünen legt sich bislang die ÖVP quer. Ein Zustand, der verfassungswidrig sei, argumentiert Michaela Krömer, die die Kinder und Jugendlichen im Auftrag von "Fridays for Future" und dem Verein Claw als Anwältin vertritt. "In Österreich haben Kinder eigene Verfassungsrechte, die unmissverständlich festlegen, dass ihr Wohl geschützt werden muss." Ein Klimaschutzgesetz ohne Reduktionsziele und Verbindlichkeit verletze diese Rechte, weil es die Last des Klimaschutzes in die Zukunft abschiebe.

Juristische Karten "neu gemischt"

Traditionell gilt es als schwierig, im österreichischen Rechtssystem Klimaschutzinteressen durchzusetzen. Global 2000 hat im Vorjahr mit mehreren Staatsbürgern bei den Höchstgerichten auf konkrete Ausstiegspläne für fossile Energieträger geklagt und wartet seither auf ein Urteil. Greenpeace war 2020 vor dem VfGH mit einer Klage im Namen von mehr als 8000 Unterstützerinnen gegen die Steuerbegünstigung des Flugverkehrs gegenüber der Bahn abgeblitzt. "Der jetzige Fall mischt die juristischen Karten aber neu", sagt Claudia Fuchs vom Institut für Staatsrecht an der Johannes-Kepler-Universität Linz. "Es geht um eine konkrete Verfassungsbestimmung, die verletzt worden sein soll. Das war so noch nie da, möglich ist deshalb alles."

Angefochten werden von den Jugendlichen bewusst nur jene Teile des Klimaschutzgesetzes, die als unwirksam gelten. Bestätigen die Höchstrichter, dass damit Kinderrechte verletzt werden, könnten sie die beanstandeten Gesetzesteile aufheben. „Damit würde die Politik dann quasi gezwungen, das Gesetz zu reparieren“, sagt Fuchs.