Irgendwie hatte man es ja gar nicht mehr geglaubt, aber gestern war es so weit. Der bekannte österreichische Physiker Anton Zeilinger erhielt gegen 11 Uhr einen Anruf aus Schweden: Gemeinsam mit dem Franzosen Alain Aspect (75) und dem Amerikaner John F. Clauser (80) werde der 77-jährige gebürtige Oberösterreicher den diesjährigen Nobelpreis für Physik erhalten – die weltweit bedeutendste Auszeichnung in dem Fach. Die drei kennen und schätzen sich seit Langem, wie Zeilinger später bei einer eilends organisierten Pressekonferenz erklärte.

Er sei „positiv geschockt“ gewesen, erzählte der Experimentalphysiker, der eigentlich gestern ungestört arbeiten wollte. Dabei ist er schon seit Jahren als nobelpreisverdächtig gehandelt.

Verschränkte Quantenzustände

Freilich ist es nicht ganz einfach zu erklären, wofür die drei den Nobelpreis bekommen haben. Gewürdigt werden sie „für bahnbrechende Experimente mit verschränkten Quantenzuständen“, bei denen sich „zwei Teilchen wie eine Einheit verhalten, auch wenn sie getrennt sind.“ Die Ergebnisse hätten den Weg geebnet für neue, auf Quanteninformation basierende Technologien.

Zeilinger beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit Fragen innerhalb der Quantenphysik, die umstritten sind oder die nicht vollständig verstanden werden. Es geht dabei um eine Besonderheit von quantenmechanischen Teilchen (zum Beispiel Elektronen oder Protonen), die „miteinander verschränkt“ sein können und dann eine „spukhafte Fernwirkung“ ausüben. Schon Albert Einstein hatte dies beschäftigt.

Zeilinger ersann verschiedene neue Experimente, mit denen man theoretische Annahmen überprüfen konnte. Zunächst waren es nur Gedankenexperimente, aber Zeilinger gelang es, raffinierte konkrete Experimente mit Laserstrahlen zu ersinnen. Es werden dabei Quantenzustände quasi von einem Teilchen auf ein anderes über weite Entfernungen übertragen. Denn „verschränkte Teilchen“ bleiben über beliebige Distanzen verbunden, Manipulationen am einen Teilchen verändern sofort („instantan“) die Eigenschaften des anderen, was es eigentlich gar nicht geben dürfte.

Popularisiert wurde dies durch Begriffe wie „Mr. Beam“ und „Teleportation“, eine allerdings missverständliche, wenn nicht gar falsche Zuschreibung. Auf das zunächst eher abgehobene Thema wurde man plötzlich aufmerksam, als sich neue Technologien wie Quantenkryptografie und Quantencomputer abzuzeichnen begannen. Hier spielen die merkwürdigen Eigenschaften von Quantenteilchen eine herausragende Rolle.

Experimente bis ins All

Zeilinger konnte mit seiner Experimentierkunst diese „Teleportationen“, die Übertragung von Information auf immer größere Entfernungen hin, bewerkstelligen. Verschränkte Photonen (Lichtteilchen) wurden unter der Donau durchgeschickt, zwischen Inseln geschickt und sogar ins All gesendet. Ein Höhepunkt war ein verschlüsseltes Telefonat des damals neu bestellten Akademie-Präsidenten Anton Zeilinger mit seinem chinesischen Amtskollegen, wobei die Verschlüsselung mithilfe eines chinesischen Satelliten nach Zeilinger-Methoden erfolgte.

Der Preisträger erklärte gestern, er betrachte den Preis auch als „Ermutigung für junge Menschen“ und empfahl ihnen: „Denkt nicht zu viel an künftige Anwendungen.“ Er bedankte sich auch bei den rund 100 Mitarbeitern, die im Laufe der Jahre mitgeholfen hatten. Auch für die Zukunft erwartet der Forscher noch viele interessante und überraschende Entwicklungen und Entdeckungen in der Quantenphysik.

Was er mit dem Geld machen werde (insgesamt 920.000 Euro), wisse er noch nicht. Auf die Überreichung in Stockholm am 10. Dezember, dem Todestag von Alfred Nobel, freue er sich jedenfalls, ließ er die internationalen Journalisten in Schweden wissen.