Falsche Polizisten sind in Österreich aktiv wie eh und je. Wer glaubte, dass nach einem großen Schlag durch die Wiener Polizei im Sommer 2020 der Geschäftsgang der Trickbetrüger empfindlich gestört wurde, sah sich bald widerlegt. "Wir kennen den Haupttäter: "Er sitzt in der Türkei, ist namentlich bekannt, hat in Österreich einige Semester studiert und hat Psychologie im kleinen Finger", sagt Ermittler Josef Janisch im Gespräch mit der APA. Auch Taxifahrer war er.

Diese Details zum Hauptverdächtigen gaben die Ermittler auch schon im August 2020 bekannt, als sie von der Festnahme seiner Schwester und seiner Mutter in Wien berichteten. Nun, knapp eineinhalb Jahre später, resümiert Janisch: "Die Festnahmen seiner Schwester und seiner Mutter haben ihn vielleicht persönlich getroffen. Geschäftlich geht es weiter wie eh und je." Und es geht hervorragend: Die Wiener Polizei hat rund 20 Beteiligte festgenommen, dabei handelte es sich aber immer um sogenannte Abholer. Das sind Komplizen des Haupttäters - meist junge Männer, die Geld brauchen -, die als die eigentlichen falschen Polizisten bei den Betrogenen vorbeischauen und ihnen Vermögen sowie Wertgegenstände abnehmen. Einbußen hat der Kopf der Organisation dadurch aber nicht. "Für die Abholer gibt es wohl eine Warteliste", so Janisch.

Seit Jahren das gleiche Prinzip

Der Modus Operandi ist im Prinzip seit Jahren der Gleiche, wird aber situationsbedingt mit erstaunlicher Flexibilität und Aktualitätsbezug variiert. Der Haupttäter sucht im Telefonverzeichnis nach alt klingenden Namen. Dabei ist es durchaus wahrscheinlich, dass er dabei ältere elektronische Telefonbuchverzeichnisse heranzieht: "Denn wer steht heute noch im Telefonbuch", erläutert Jörg Kohlhofer von der Kriminalprävention und Spezialist für Cybercrime der APA. Beim Stichwort alte Namen deutet Janisch auf sich selbst und fragt: "Kennen Sie einen jungen Josef heutzutage?"

Klingt ihm ein Name nach altem Menschen, ruft der Haupttäter aus der Türkei an. Der oder die Ausgewählte sieht am Display natürlich nicht eine Telefonnummer aus der Türkei, mit Internettelefonieanbietern kann man jede Nummer und Herkunftsbezeichnung vortäuschen. Manche Betrogenen waren sogar von der vermeintlichen Notrufnummer 133 angerufen worden. "Der Täter spricht Wiener Dialekt", sagt Janisch. Mitunter lässt er, um noch offizieller und seriöser zu wirken, eine Frau anrufen, die in der Organisation in untergeordneter Rolle mitarbeitet. Die spielt dem potenziellen Betrugsopfer die Assistentin vor, die durchstellt: "Ich begrüße sie, der Herr Oberst ... hätte Sie gerne gesprochen. Ich verbinde", bekamen manche Betrogenen zu hören.

Typischer Fall: Opfer sollen alle Wertgegenstände "zur Sicherheit" bei Polizei deponieren

Klassisch ist der Fall, bei dem den Opfern weisgemacht wird, dass sie auf einer bei Einbrechern gefundenen Liste stehen, derzufolge bei ihnen demnächst eingebrochen wird und sie daher alle Wertgegenstände - auch die sie in einer Bank deponiert haben - bei einem Polizisten deponieren sollen. Dass es komplett unlogisch ist, dass Einbrecher an in einer Bank verbunkerte Schätze kommen sollen, tut dem Erfolg der Trickbetrüger keinen Abbruch. "Der Täter ist am Telefon nicht nett", sagt Janisch. Das habe etwa Christa Chorherr, Autorin und Mutter des ehemaligen Grünen Wiener Stadtrats Christoph Chorherr, geschildert. Der Betrüger macht unglaublichen Druck, etwa indem er sagt: "Sie unterstützen die Täter, wenn Sie uns nicht die Sachen überlassen." Das Opfer wird oft mehrere Stunden lang am Telefon gehalten, bedroht und psychisch weichgekocht. Chorherr, eine hochgebildete Frau, meinte nachher, sie konnte nicht mehr klar denken.

Der Haupttäter schickt dem oder der Betrogenen oft auch ein Taxi - natürlich besetzt mit einem Komplizen -, um das Opfer bis zur Übergabe der Wertsachen völlig unter Kontrolle zu haben. Beim Telefongespräch hat er ein zweites Handy mitlaufen, verbunden mit dem Abholer. So weiß dieser genau, was vereinbart wurde, und kann auf etwaige Fangfragen schnell und richtig reagieren.

Täter übernehmen sogar echte Namen von Polizeibeamten

Dass die Betrüger auch sehr aktualitätsbezogen agieren, schildert Janisch anhand zweier Beispiele: "Wenn der Leiter einer Außenstelle des Landeskriminalamtes Wien namentlich in der Zeitung erwähnt wird, können Sie darauf wetten, dass sich der Täter kurze Zeit später bei späteren Betrugsopfern als dieser vermeintliche Beamte meldet." In einem anderen Fall in Graz wurde der Neffentrick angewendet. Im September 2018 kollidierten in der steirischen Landeshauptstadt ein Zug und ein Bus. Die Buslenkerin kam ums Leben, dazu gab es mehrere Verletzte. "Zwei Stunden nach dem Unfall gab es die ersten Anrufe im Großraum Graz, bei denen die Täter den Angerufenen weismachten: 'Ihr Enkel hat diesen Verkehrsunfall verursacht und sitzt in Haft.'", erzählt der Ermittler. Sie forderten Kaution.

Die Abholer kommen oft mit gefälschten Polizeiausweisen. Dabei sind sie vom Kopf der Organisation mit Namen und Dienstnummer avisiert worden. "Wenn ich anrufe und sage, dass Jörg Kohlhofer, Dienstnummer soundso, kommt, und eine halbe Stunde später kommt der vermeintliche Jörg Kohlhofer und zeigt Ihnen einen Dienstausweis mit genau der Dienstnummer, kommen Sie überhaupt auf die Idee, die Echtheit anzuzweifeln?", fragt Janisch.

Dunkelziffer hoch

Wie viele Fälle es tatsächlich gibt, trauen sich die Experten nicht zu sagen. Die Dunkelziffer ist hoch, die Betrogenen schämen sich oft oder resignieren. Das Geld ist weg und die Verbrecher würde die Polizei eh nicht mehr finden, ist eine Denkweise bei den Betrogenen, mit der die Ermittler oft konfrontiert werden, wie Janisch ausführt. Dabei gehe es teilweise um horrende Summen. Ein Mitglied einer Industriellenfamilie wurde beispielsweise um eine halbe Million Euro erleichtert, schildert der Ermittler.

Doch wie kann man sich bzw. die Angehörigen gegen die Kriminellen schützen? Das Problem ist, dass es sich praktisch immer um ältere, oft sehr alte Menschen handelt, welche die Täter aufsuchen. Diese sind aber - was Medien betrifft - zwar oft online, aber nicht immer medial uptodate und haben trotz zahlreicher Medienberichte zu dem Thema nichts gelesen. Der Ball liegt bei den Angehörigen. Kohlhofer: "Ich sage immer: Potenziellen Opfern ist einzubläuen, dass sie sich nach einem entsprechenden Anruf drei Minuten Zeit nehmen und das Besprochene reflektieren sollen. Cool down ist die Devise." Auch ein Anruf bei Verwandten oder ein kurzes Gespräch mit den Nachbarn kann helfen. "Auch bei uns kann man immer anrufen", sagt der Präventionsbeamte.

Auch ein Tipp: Kriminelle finden über das Internet jede Menge Informationen über einen selbst, aber auch über Freunde und Familienangehörige heraus. "Über die öffentlich zugängliche Freundesliste finden Täter ältere Menschen und damit potenzielle Opfer", schildert Kohlhofer einen Ansatzpunkt. "Das Problem ist: Viele Leute haben großes Mitteilungsbedürfnis. Mit zehn Klicks von dir wissen Täter, ob du männlich oder weiblich bist, bei 20 kennen sie deine Vorlieben und mit 30 Klicks bist du gläsern."