Am Landesgericht Salzburg hat heute, Dienstag, unter großem Medieninteresse ein umfangreicher Prozess wegen Handels von 13,8 Millionen Captagon-Aufputschtabletten begonnen. Der mutmaßliche Verkaufswert dieser Pillen liegt bei 40 Millionen Euro. Die 14 Beschuldigten sollen laut Anklage Mitglieder einer internationalen Tätergruppe sein, die Drogen von Juni 2016 bis März 2021 aus dem Libanon nach Österreich geschmuggelt hat. Bis zum 26. Jänner sind 15 Prozesstage angesetzt.

Bei den Angeklagten handelt es sich um elf Männer und drei Frauen im Alter von 27 bis 54. Sie stammen vorwiegend aus dem arabischen Raum beziehungsweise aus dem Libanon. Viele davon sind miteinander verwandt. Einige von ihnen wohnten vor ihrer Festnahme in Stadt und Land Salzburg. Was die Staatsbürgerschaft betrifft, handelt es sich um sechs Österreicher, drei Syrer, einen Libanesen, einen Belgier, einen Deutschen, einen Türken und einen Ungarn. Ihnen wird Suchtgifthandel und das Verbrechen der kriminellen Organisation vorgeworfen. Ein Beschuldigter, der nicht in Untersuchungshaft ist, blieb der Verhandlung heute fern.

Österreich spielte bei diesem Handel mit Captagon-Pillen – auch als „Jihadisten-Droge“ bekannt, die unter das Suchtmittelgesetz fallen – eigentlich nur die Rolle einer Zwischenstation. Umschlagplatz soll eine Pizzeria in Bürmoos im Flachgau gewesen sein. Das Captagon wurde den Ermittlungen zufolge im Libanon hergestellt und war für Saudi-Arabien bestimmt. Der Umweg über Europa erfolgte nur deshalb, weil Importe aus der EU in Saudi-Arabien offenbar deutlich weniger kontrolliert werden als die Wareneinfuhr aus dem Vorderen Orient.

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Drogenimport über Scheinfirma

Die Pillen waren in Hohlräumen von Rollen mit Plastikfolien versteckt. In jeder Rolle befanden sich bis zu 34.000 Stück Tabletten. Über eine Scheinfirma wurden die Drogen auf dem Seeweg nach Gent in Belgien geschifft. Von dort wurden sie mittels Speditionen nach Österreich gebracht und in Lager verteilt, wobei die Flachgauer Pizzeria eine zentrale Drehscheibe gebildet haben soll.

Laut Anklage wurden die Suchtmittel in Industrie-Pizzaöfen, Waschmaschinen und anderen Elektrogeräten versteckt und so nach Saudi-Arabien verfrachtet. Das Lokal im Flachgau soll ein 28-jähriger Angeklagter betrieben haben. Ein 53-jähriger Angehöriger war der Staatsanwaltschaft zufolge für die Lagerung, Umverpackung und Weitersendung der Drogen verantwortlich. Dabei sollen dem Erstangeklagten weitere Beschuldigte geholfen haben.

Als Chef der Drogenbande gilt ein 60-jähriger Libanese, der untergetaucht ist. Einige Beschuldigte legten Geständnisse ab, sodass die Ermittler zumindest drei große Drogenlieferungen nachweisen konnten, 25 bis 30 Tonnen Captagon-Tabletten sollen dabei ausgeliefert worden sein. Die Droge wirkt ähnlich aufputschend wie Amphetamin und war bereits öfters in Zusammenhang mit terroristischen Anschlägen gebracht worden, da sie den Konsumenten auch furchtlos und unempfindlich gegen Schmerz erscheinen lässt. Die Nebenwirkungen können allerdings tödlich sein.

Dolmetscherin wurde gefeuert

Pikantes Detail: Die Hauptdolmetscherin in dem Ermittlungsverfahren soll seit Juni 2019 mit dem Kronzeugen liiert gewesen sein. Die Anklage der Staatsanwaltschaft basiert zu einem Gutteil auf den Angaben des in Salzburg lebenden Irakers. Er soll eingeräumt haben, in die Drogengeschäfte involviert gewesen zu sein und dafür im Vorfeld eine Diversion erhalten zu haben. Die nicht zertifizierte Dolmetscherin soll die Beziehung zu ihm geheim gehalten haben. Sie wurde vor rund zwei Wochen aus der hausinternen Dolmetscherliste des Landesgerichtes Salzburg gestrichen.

Verteidiger weisen Vorwürfe zurück

Die Verteidiger bezeichneten die Vorwürfe als haltlos. Im Fokus der Gegenäußerungen stand das Liebesverhältnis zwischen dem Kronzeugen und der Dolmetscherin. „Alles, was sie übersetzt hat, ist mit Nichtigkeit bedroht“, sagte Verteidiger Leopold Hirsch. Er beantragte die Neuübersetzung aller Protokolle, die von der Dolmetscherin übersetzt worden waren. Für sie gelte eine Befangenheit nach der Strafprozessordnung.

Ins selbe Horn stießen die anderen Verteidiger, es war auch von Skandal und Unglaubwürdigkeit des Kronzeugen die Rede. Rechtsanwalt Kurt Jelinek kündigte eine Strafanzeige an. Es bestehe der Verdacht, dass die Dolmetscherin nicht alles und auch nicht richtig übersetzt habe. Die Staatsanwältin hatte zuvor betont, dass die Richtigkeit der Übersetzung nachprüfbar sei.

Nach den Gegenäußerungen vertagte die vorsitzende Richterin des Schöffensenats den Prozess auf morgen, Mittwoch, zur Einvernahme der Angeklagten. Sie hat noch nicht bekannt gegeben, ob die Protokolle tatsächlich neu übersetzt werden. Das würde den Prozess deutlich verzögern. In dem rund drei Jahre dauernden Ermittlungsverfahren wurden allein rund 200.000 Telefonate abgehört, zu einem überwiegenden Teil in arabischer Sprache, die vorwiegend von der nun in die Kritik geratenen Dolmetscherin übersetzt wurden.