Auch wenn die Sonne auf ihr Aktivitätsminimum zusteuert, sehen Expertinnen und Experten nächstes Jahr noch Chancen auf Polarlichter in unseren Breiten. 2026 könnte es drei bis fünf geomagnetische Stürme geben, die stark genug sind, um Nordlichter in Mitteleuropa zu verursachen, erklärte der Weltraumwetter-Forscher Christian Möstl auf Anfrage der APA. Bei passendem Wetter könnte es also ein bis zwei Mal die Möglichkeit geben, hierzulande die Aurora borealis zu sehen.
Nachdem die Sonne im aktuellen, rund elf Jahre dauernden Aktivitätszyklus 2024 ihr Maximum erreicht hat, befindet sie sich nun in der abklingenden Phase. Gemessen wird ihre Aktivität anhand der Zahl der Sonnenflecken, aus der die „Sonnenfleckenrelativzahl“ berechnet wird. Dieser Wert gibt Aufschluss darüber, wie magnetisch aktiv die Sonne ist und erleichtert die Vergleichbarkeit mit früheren Zyklen.
Video: Wie entstehen Polarlichter?
Bis zu 30 Sonnenstürme für 2026 erwartet
„Grundsätzlich gilt: Je mehr Sonnenflecken es gibt, desto mehr Sonnenstürme können wir erwarten, was gleichzeitig die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass auch mehr Sonnenstürme die Erde treffen“, betonte Möstl, Leiter des Austrian Space Weather Office von GeoSphere Austria in Graz. 2024 sind 49 Sonnenstürme auf das Erdmagnetfeld getroffen, für das zu Ende gehende Jahr 2025 werden bis zu 35 Sonnenstürme erwartet und für das kommende Jahr 20 bis 30 Stürme.
Bis zum Aktivitätsminimum, das für 2030 prognostiziert wird, wird also mit kontinuierlich weniger Sonnenstürmen pro Jahr gerechnet. Dennoch würden in der abklingenden Zyklusphase oft stärkere Sonnenstürme entstehen als zum Zyklusbeginn, mit potenziell stärkeren geomagnetischen Auswirkungen wie Polarlichter oder technische Störungen, so Möstl und seine Kollegin Eva Weiler.
In Mitteleuropa meist „Rote Aurora“ zu sehen
Um in Mitteleuropa Polarlichter sehen zu können, bedarf es einiger Voraussetzungen: Der geomagnetische Sturm muss stark genug sein, sein Höhepunkt in der Nacht erreicht werden und gleichzeitig sollte es klaren Himmel geben. Das war beim jüngsten in Österreich zu sehenden Polarlicht in der Nacht auf 12. November der Fall. Aber selbst bei diesem Ereignis reichte das sogenannte „Aurora-Oval“, also jene Region um Nord- und Südpol, in dem die oft grüne Aurora direkt am Himmel zu sehen ist, nicht bis nach Mitteleuropa.
„Wenn wir hierzulande Polarlichter beobachten, sehen wir meist die sogenannte ‚Rote Aurora‘, die durch den Zusammenstoß von Sauerstoffatomen mit sehr schnellen Teilchen aus dem Erdmagnetfeld in Höhen über 300 Kilometern verursacht wird“, so Eva Weiler vom Austrian Space Weather Office. Dagegen entsteht die von vielen Fotos bekannte „Grüne Aurora“ in etwa 100 Kilometer Höhe.
2025 waren es sieben geomagnetische Stürme mit Potenzial
Insgesamt gab es 2025 sieben stärkere geomagnetische Stürme, die das Potenzial für Polarlichter in Mitteleuropa hatten. Bei zwei Stürmen im Jänner und November hat auch das Wetter in weiten Teilen Österreichs mitgespielt und die Beobachtung der Leuchterscheinung ermöglicht. Der Sonnensturm in der Nacht auf 12. November war übrigens der drittstärkste des aktuellen Aktivitätszyklus.
Für 2026 erwarten die Expertinnen und Experten nun drei bis fünf geomagnetische Stürme, die stark genug sind, um Polarlichter in Mitteleuropa zu verursachen. „Wenn das Wetter mitspielt, könnte es damit durchaus noch ein bis zwei Mal die Möglichkeit geben, Polarlichter hierzulande zu sehen, bevor die Sonne um das Jahr 2030 in das nächste Aktivitätsminimum eintaucht“, so Möstl.
Störungen durch Sonnensturm im November
Sonnenstürme verursachen allerdings nicht nur die faszinierenden Leuchterscheinungen am Nachthimmel, sondern auch Probleme bei der technischen Infrastruktur. So gab es beim stärksten Sturm des Jahres am 12. November weltweit Störungen von Radioverbindungen und Satellitennavigationssystemen vor allem in Europa, Afrika und Asien.
„Solare Strahlung“ soll auch am 30. Oktober zu einem Zwischenfall bei einem Flugzeug der A320-Familie von Airbus geführt haben, der den Flugzeugbauer zu einem Software-Update bei 6.000 Jets gezwungen hat. In der Forschungscommunity wird das laut Möstl diskutiert, weil es an diesem Tag keine nennenswerten Ausbrüche auf der Sonne gegeben hat. Wahrscheinlicher sei, dass dieses Problem durch ein energiereiches Teilchen der kosmischen Strahlung verursacht wurde. Allerdings könnten Teilchen von der Sonne ähnliche Störungen verursachen.
Satelliten sollen Weltraumwetter-Prognosen verbessern
Kein Wunder, dass es zahlreiche Aktivitäten zum besseren Verständnis des Weltraumwetters und der Vorhersage von Sonnenstürmen gibt. Im März dieses Jahres ist die NASA-Mission „PUNCH“ gestartet. Die vier Satelliten haben bereits erste Bilder von Sonnenstürmen und vom Sonnenwind geliefert. Im September ist die SWFO-L1 Mission der Wetter- und Ozeanografiebehörde NOAA zum Lagrange Punkt 1 zwischen Erde und Sonne gestartet. Ausgestattet mit Elektronik des Grazer Instituts für Weltraumforschung (IWF) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) soll der Satellit frühzeitig vor Sonnenstürmen warnen.
Die Wissenschaft nutzt das kommende Aktivitätsminimum um 2030 auch dafür, sich auf den darauffolgenden nächsten solaren Aktivitätszyklus vorzubereiten. So hat die Europäische Weltraumorganisation ESA bei der Ministerkonferenz Ende November mehrere Missionen zur Verbesserung der Vorhersage des Weltraumwetters in die Planungsphase gebracht, etwa Raumsonden, die aus dem Erdorbit kontinuierlich Bilder vom Aurora-Oval machen sollen. Mit der SHIELD-Mission ist zudem eine Flotte von Kleinsatelliten geplant, die in weitem Abstand um die Erde kreisen und so die Vorwarnzeit für Sonnenstürme verlängern könnten. Das wird aber frühestens im nächsten solaren Maximum weit in den 2030er Jahren möglich sein.