Im Mai sorgte ein Video von der deutschen Nordsee-Insel Sylt länderübergreifend für Empörung. Dort waren zahlreiche Partygäste zu sehen, die zum abgeänderten Titel „l‘amour toujours“ des Kult-DJ Gigi D‘Agostino „Deutschland den Deutschen“ oder „Ausländer raus“ grölten. Ähnliche Vorfälle mit dem umgetexteten Lied folgten unter anderem in Bad Ischl, im Zillertal oder auch in St. Johann in Tirol.
Dort hatte ein 26-Jähriger laut Staatsanwaltschaft Innsbruck im Juli am Festgelände des Jaggas’n-Festes in den Morgenstunden die Aufmerksamkeit der Polizei auf sich gezogen. So soll der nun wegen NS-Wiederbetätigung Angeklagte bei einer Amtshandlung mit einem türkischen Staatsbürger mehrfach rassistische Äußerungen gerufen haben. Den Agostino-Titel habe er mit umgeändertem Liedtext „Deutschland den Deutschen“ und „Ausländer raus“ nachgesungen und dabei die Hand zum Hitlergruß erhoben.
Der Angeklagte bestritt die Tat, konnte die Geschworenen allerdings nicht von seiner Unschuld überzeugen. Nach kurzen Beratungen wurde zu Mittag ein einstimmiger Schuldspruch verkündet. Die acht Geschworenen gingen davon aus, dass der Mann zwar aufgrund des Alkoholeinflusses eingeschränkt zurechnungsfähig war, aber die Hand zum Hitlergruß erhoben hat – und mindestens 20 Personen Zeugen davon wurden. Den 26-Jährigen erwarten ein Jahr bedingte Haft sowie 10.800 Euro Geldstrafe. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Angeklagter bestreitet Hitlergruß
Schon beim Auftakt des Schwurgerichtsprozesses erklärte sich der Angeklagte für nicht schuldig. So habe er den türkischen Staatsbürger während der Amtshandlung wohl wörtlich beleidigt, aber niemals die Hand zum Hitlergruß erhoben. „Den Arm habe ich ihm entgegengestreckt und den Stinkefinger gezeigt!“, erklärte der Arbeiter vor den Geschworenen.
Dass er das Agostino-Lied mit den ausländerfeindlichen Passagen gesungen hätte, schloss der 26-Jährige ebenso aus. Er kenne das Lied „l‘amour toujours“ nämlich überhaupt nicht. Dies verwunderte angesichts des Alters des Angeklagten so manchen Zuhörer.
Polizei und Einsatzleiter belasten 26-Jährigen
Drei Polizeibeamte, welche am Ende des Fests eigentlich in die Amtshandlung gegen den türkischen Staatsbürger eingebunden waren, schilderten ihre Wahrnehmungen jedoch nachvollziehbar. So waren sich zwei der Polizisten sicher, dass der Unterländer sehr wohl die Hand zum Hitlergruß erhoben hätte. Einer der beiden Beamten führte die erhobene Armhaltung mit gestreckten Fingern auch vor den Geschworenen (mit merkbarem Widerwillen) vor.
Auch das Nachsingen des veränderten Liedertitels hatten die beiden dem Angeklagten damals örtlich nahestehenden Polizisten ganz klar vernommen. Beim dritten Zeugen handelte es sich damals um den Einsatzleiter am Fest. 10.000 Besucher hatten damals beim Ausklingen für gleichzeitig vier Einsätze gesorgt. Da lag der Fokus mitsamt Ohrstöpseln im Ohr auf anderen Dingen. Aber auch der leitende Beamte wollte mit einem Blick nach oben einen deutlich ausgestreckten Arm wahrgenommen haben.
Strafandrohung auf zehn Jahre erhöht
Für Verteidiger Manfred Monitzer dennoch Widersprüche zu ein und derselben Amtshandlung, welche die Geschworenen generell am Anklagevorwurf zweifeln lassen sollten. Staatsanwältin Veronika Breithuber sah indes die Glaubwürdigkeit der Beamten geradezu deshalb erhöht, da sich ihre Wahrnehmungen während der turbulenten Amtshandlung nicht auf Punkt und Beistrich deckten.
Aufgrund der Angaben der Zeugen, wonach sich der Vorfall vor etlichen Umstehenden abgespielt haben sollte, dehnte Staatsanwältin Breithuber die Anklage sogar noch dahingehend aus, dass sich die Wiederbetätigung vor mindestens 20 Personen abgespielt habe. So erhöhte sich die Strafandrohung für den 26-Jährigen von fünf auf zehn Jahre Haft.
Das besagte Lied wurde ohne Wissen von D‘Agostino mit dem rassistischen Text versehen, für den Tiroler gilt die Unschuldsvermutung.