Zerstritten
Augenscheinlicher konnte diese Regierung ihre Zerstrittenheit gar nicht zur Schau stellen. Bevor Bundeskanzler Kern in Wels seine Grundsatzrede vom Stapel ließ, verkündete Vize Mitterlehner in Pöllauberg eine Halbierung der Asylobergrenze, ohne sich vorab mit dem Koalitionspartner in dieser sensiblen Causa abzusprechen.
Da sieht das vor wenigen Tagen abgegebene Versprechen, endlich einmal gedeihlich zusammenzuarbeiten, auf einmal sehr alt aus. Außerdem kam diese Ansage eineinhalb Jahre vor Auslaufen der Legislaturperiode reichlich spät. Man ist aber angesichts der wechselseitigen Untergriffe geneigt anzunehmen, dass der unerträgliche Zustand sehr bald durch Neuwahlen beendet wird.
Zur Grundsatzrede von Christian Kern und seiner Entschuldigung bei den untreu gewordenen Genossen ist zu bemerken, dass es im Grunde lobenswert ist, dass solche Worte über die Lippen des Kanzlers gekommen sind. Viel eher müssten sich aber die Vorgänger Vranitzky, Klima, Gusenbauer und ganz besonders Werner Faymann entschuldigen! Sie allesamt haben den Weg der einstigen Großpartei SPÖ zur Mittelmäßigkeit eingeleitet.
Herbert Tischhardt, Leoben


Leere Worte
Wie oft schon haben wir eine solche oder ähnliche Rede wie die nunmehrige des Bundeskanzlers gehört. Auch Obama sagte „Yes we can“; erreicht hat er kaum etwas. Auch in Österreich wird wiederum nichts (Wesentliches) passieren! Jede Wette!
Robert Kogler, Bad Mitterndorf
Keine Zeit für Lösungen
Ich habe in der ZiB vernommen, dass die ÖVP für eine Halbierung der Obergrenze für Asylanträge eintritt. Das hat mich im ersten Moment überrascht. Doch dann ist mir ein Licht aufgegangen. Wir haben ja einen Integrationsminister, der für die Erarbeitung einer Lösung für den Umgang mit Flüchtlingen zuständig ist.
Da er aber anscheinend lieber im Ausland in bereitgestellte Kameras lächelt, was ja sicherlich für gute Umfragewerte sorgt, kommt er eben nicht dazu, Lösungen für die Integration der Zuwanderer zu erarbeiten. Wenn also die Zuwanderung stark reduziert wird, dann werden auch eventuell auftretende Schwierigkeiten weniger und unser Strahlemann kann noch mehr strahlen.
Johann Mühlfellner, Graz


Der tausendste Neustart
Die Grundsatzrede von Kanzler Kern war geprägt von altbekannten Forderungen, selbstkritischer Reflexion und auch einigen neuen Ideen. Der gefühlte tausendste Neustart, der viel zitierte „New Deal“ sowie eine lösungs- und zukunftsorientierte Politik klingen natürlich vielversprechend, aber den schönen Worten müssen nun endlich auch einmal Taten folgen. Des Weiteren muss auch festgehalten werden, dass viele Ankündigungen des Kanzlers mit der ÖVP nur schwer bzw. gar nicht umsetzbar sind. Dafür ist die Schnittmenge einfach zu gering. Das von Kanzler Kern erwähnte Mehrheitswahlrecht hätte zumindest den Vorteil, dass eine Zwangskoalition aus zwei Parteien, die sich ideologisch nicht so mögen und infolgedessen das Ergebnis von deren Politik eine Mischung aus Stillstand und faulen Kompromissen wird, Geschichte wäre.
Ingo Fischer, Lavamünd