Mitterlehner schlägt Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) eine Generalreform des Arbeitsschutzrechts vor. "Worauf warten, das Problem ist erkannt, lösen wir es möglichst rasch", so Mitterlehner. Das Vorhaben sollte schon Teil des aktualisierten Regierungsprogramms werden, das ja vor den Semesterferien präsentiert werden soll.

Er hoffe, "dass nach der klaren Rede-Positionierung Kerns auch der bisherige Widerstand von Sozialminister, Gewerkschaft und Arbeiterkammer endlich gemeinsam überwunden werden kann", so Mitterlehner.

"Viele Beschwerden von Unternehmen"

Handlungsbedarf sehe er aufgrund der gehäuften Beschwerdefälle von Unternehmen. "Auffallend viele Beschwerden von Unternehmen zur Tätigkeit der Arbeitsinspektoren und zur unübersichtlichen und teils veralteten Rechtslage. Die  Gesetze und Verordnungen werden von gesellschaftlichen und technologischen Entwicklungen der modernen Arbeitswelt überholt", so Mitterlehner. Aktuell würde die Fülle an Vorschriften sowohl Unternehmen als Inspektoren überfordern. Das Arbeitnehmerschutzgesetz habe allein 132 Paragrafen, dazu kommen noch mehre Verordnungen. Die Arbeitsstätten-Verordnung habe 48 Paragrafen, die allgemeine Arbeitnehmerschutz-Verordnung 86, die Bauarbeiterschutzverordnung 164.

Insgesamt müssten die Gesetze und Verordnungen "praxistauglicher vollzogen werden". Das Motto sollte lauten: "Beraten statt strafen", so Mitterlehner. "Die Vorschriften zum Arbeitnehmerschutz sind kein Selbstzweck, sondern sollen das Schutzniveau erhöhen. Das wird durch Beratung und Prävention besser erreicht als durch Bürokratie und Strafen." Auch die vielen Arbeitsinspektoren (306) müssen endlich mit Augenmaß und Sachverstand handeln. 

Zudem brauche es "klare und verständliche Regeln, die leicht zu finden sind und einander nicht widersprechen". Im Ergebnis verbessere das den Arbeitnehmerschutz für alle Beteiligten. "Daher sollte der gesamte Rechtsbestand modernisiert und auf seine Praxistauglichkeit im 21. Jahrhundert überprüft werden. Arbeitnehmerschutz ist auch uns sehr wichtig, aber die Wirtschaft braucht dringend praxistauglichere Regelungen."

Zur Untermauerung seiner Forderungen verweist Mitterlehner auf einige aus seiner Sicht geradezu "bizarre" Beispiele aus der Praxis:

Fliesen? Teppich? Beides? Gar nichts?

Paragraf 61 des Arbeiterschutzgesetzes besagt beispielsweise: „Arbeitsplätze müssen so beschaffen sein, dass die Arbeitnehmer möglichst ohne Gefahr für ihre Sicherheit und Gesundheit ihre Arbeit verrichten können“. Das eröffne viel Wertungsspielraum für die Inspektoren: In zwei Kaffeehäusern war etwa der Arbeitsinspektor nicht mit dem Fliesenboden hinter der Schank einverstanden, da die Mitarbeiter auf „zu hartem Untergrund“ stehen mussten bzw die Fliesen „zu rutschig“ waren. Die Anweisung war, einen Teppich aufzulegen. Das war aber wiederum für den Inspektor des Marktamtes ein Hygieneproblem.

Über Neigungswinkel von Fußgängerrampen gestolpert

Rampen mit Fußgängerverkehr dürfen keine größere Neigung als 1:10 aufweisen. Das bedeutet, dass schon eine Stufe von 18 Zentimeter eine Rampenlänge von 1,8 Meter benötigt . Konkreter Fall: In den Produktionsräumen eines Unternehmens gab es eine perfekt funktionierende Rampe, die aber nicht dem Verhältnis 1:10 entsprach. Nach Aufforderung durch den Arbeitsinspektor musste die Rampe verlängert werden, ragte dann aber weiter in den Raum und die Mitarbeiter stolperten ständig darüber. Beispiel dafür, wie Vorschriften kontraproduktiv für den Arbeitnehmerschutz Vorschriften wirken können.

Luftiger Abstand zur Toilette

Gemäß ArbeitsstättenVO dürfen Toiletten nicht direkt an Aufenthalts- und oder Umkleideräume angrenzen, sondern müssen „durch natürlich oder mechanisch direkt ins Freie ausreichend lüftbare Vorräume getrennt sein“. Man benötigt also ein Extrazimmer („Antekammer“) - gerade neben Umkleidung oder Pausenräumen sei das nicht nachvollziehbar, so Mitterlehner. 

Sicherheitsdatenblatt für handelsübliches Putzmittel

Ein weiteres Beispiel, das der Wirtschaftsminister nennt: "Ein Arbeitsinspektor verlangte für das handelsübliche Putzmittel CIF ein Sicherheitsdatenblatt, obwohl es für CIF gar kein derartiges Datenblatt gibt. Die Antwort der zuständigen Stelle auf die Beschwerde zeigt auch eine gewisse Realitätsferne: Arbeitgeber müssten sich vergewissern, ob die verwendeten Arbeitsstoffe gefährlich sind, die Eigenschaften ermitteln und nach Gefahren einstufen. Auch ungekennzeichnete Arbeitsstoffe könnten potenziell gefährlich sein. Es geht hier aber um eine Flasche CIF, die man in jeder Einzelhandelsfiliale auch für den Haushalt kaufen kann."

Unvereinbare und widersprüchliche Regelungen

"Die Arbeitsstätten-Verordnung sieht auf allen Verkehrswegen eine Mindestbeleuchtung von 30 LUX vor. Damit hat z.B. der Flughafen Wien ein Problem, weil internationale Normen in der Luftfahrt geringere Beleuchtungen vorsehen, um die Piloten am Flugfeld  nicht zu blenden."